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Messebautalk: «Mietkosten sind der größte Schmerz!»

Teile der schweizerischen Messebaufirmen sind daran, wegen den Mietkosten ihr jetzt ungenutztes Materiallager zu entsorgen. Überleben werden jene Messebau-Unternehmen, die die Pandemie finanziell am längsten durchhalten.


by Urs Seiler | 16. Dezember 2020

«Verschwende nie die große Chance einer veritablen Krise».


Darüber war man sich einig an einem informellen Gespräch unter Messebaufirmen vor dem eigentlichen Messebautalk. Das Zitat stammt von Winston Churchill. Er hat erkannt, dass man Krisen als Chancen begreifen kann. Er hat nicht gesagt, der entsprechende Prozess sei einfach.


Eines ist für alle der teilnehmenden Messebauunternehmen klar: Messen und Events werden zurückkehren. Auch zur jungen, Millennialgeneration. Aber in anderer Form. Die künftige Generation toleriert keine statischen m2-Modelle mehr. Und sie will Live-Erlebnisse, die sich von digitalen Erfahrungen unterscheiden. Das war der Tenor des dritten Messebautalks, dieses Mal bei Expomobilia im Anschluss an den Expo Event Breakfast Club vom 9. Dezember 2020. (Bild: Eva-Maria Morton de Lachapelle, Freelance Project Manager & Copywriter Expomobilia)


40 Prozent weniger Konzerte

Am dritten Messebautalk wurde die Kluft sichtbar, die Corona in die Live Kommunikations-wirtschaft gerissen hat: Einige der Dienstleister befinden sich mitten in der Transformation, haben Personal reduziert und haben sporadisch Aufträge in permanenter Architektur wie Museen oder in temporärer Architektur wie der Bereitstellung von provisorischen Sitzungssälen für lokale, regionale oder nationale Parlamentssessionen.


Dem stehen die Streichung von Publikumsanlässen wie großen Popkonzerten oder Theatervorstellungen entgegen und die Aussicht ist nicht gut. Gemäß einer Umfrage des weltgrößten Konzertveranstalters Live Nation wird in diesem Feld von Public Events bereits bis im 2022 (!) nicht mit Anlässen zu rechnen sein und bis im 2023 wird von einem Rückgang von 40 Prozent der Anlässe ausgegangen.


Eines der größten Probleme, die letztere Situation verursacht: Wer überlebt das? Wenn das nicht mehr benötigte Materiallager veräußert ist (nicht einmal die Gastronomie oder die Immobilienwirtschaft kann aktuell eine alternative Nutzung in großem Umfang gewähr-leisten), dann entfallen wenigstens teils beträchtliche Mietkosten. Ein Messebauer sagte «Die Lagerrechnung ist eine bittere Pille», ein anderer: «Mietkosten sind der größte Schmerz», ein Dritter: «Unsere Außenlager haben wir bereits geschlossen.»

Ist die Härtefallregelung gescheitert?

Dauerthema am Messebautalk ist die sogenannte Härtefallregelung, mit der betroffene Firmen, die in der Live Kommunikationswirtschaft als Dienstleister tätig sind, in den Genuss eines nicht rückzahlbaren Deckungsbeitrags vom Bund respektive den jeweiligen Kantonen kommen können. Der Tenor hierzu: eine gesamtschweizerische Lösung ist gescheitert, weil die Kantone mit unterschiedlichen Aktionen und unterschiedlichem Tempo reagieren.


Als Positivum erwähnte einer der Teilnehmer, dass sein Unternehmen 20 Prozent der bezogenen verzinslichen Kredite erhalte, ein anderer Messebauer nannte einen Satz von 10 Prozent des Umsatzes der vergangenen Jahre, der seinem Unternehmen als nicht rückzahlbarer («a-fonds-perdu»)-Beitrag zukomme: «Das könnte relativ schnell gehen, wir sind bereits am Ausfüllen der notwendigen Formulare.»


Transformier’ oder verlier

Als Beispiel für zielgruppengerechte Live Kommunikation wurden die Events der Schuhmarke Sneakers genannt, weil sich die Konsumgewohnheiten aller Generation vollständig verändert haben. Wie sagt Jeff Bezos, Inhaber von Amazon: Eine Marke ist das Gespräch über dein Unternehmen, wenn Du den Raum verlässt.


Auch Messen werden weiter benötigt, aber auf andere Art. Als Beispiel wurden die lange so erfolgreichen Leitmessen der Automobilindustrie erwähnt, denen die Transformation zu gesamtheitlichen Mobilitätsmessen noch bevorsteht. «Transformier’ oder verlier» lautet hier die Zukunft. Positiv formuliert: jene Automobilmessen, denen diese Transformation gelingt, haben durchaus eine Zukunft. Aber Veranstalter, die sich noch auf dem Geschäftsmodell von gestern (der «Kulissenschieberei») ausruhen, werden nicht mehr erfolgreich sein, weil auch die Aussteller selber ein neueres, zeitgemäßeres Modell einfordern, da sie einen entsprechenden Bedarf ihrer Kunden klar erkennen.


Ein anderes Beispiel ist die Uhren- und Schmuckindustrie. Nach dem Niedergang der weltberühmten Baselworld hat die MCH Group als Nachfolge die «HourUniverse» ins Leben gerufen. Die große Frage die sich jetzt stellt, ob diese, die HourUniverse, Nutznießerin der Absage der physischen Watches & Wonders in Genf für 2021, der Neulancierung des früheren SIHH Salon International de l’Haute Horlogerie, werden wird.


Die neue Form von Messen, da wo Messeveranstalter die Kraft dazu haben, sie neu zu erfinden, warf die Frage auf, ob und was Messebaufirmen zum Transformationsprozess von Messen beitragen könnten. Die Antwort: Für eine digitale Transformation von Messen braucht es Technologiefirmen, Veranstalter können das aus eigener Kraft nicht.


Aber für Messebaufirmen könnte jetzt, zum Zeitpunkt der Inaktivität während der Pandemie, ein guter Zeitpunkt sein, sich zum Prozess der digitalen Transformation der gesamten Wirtschaft, nicht nur von Messen und Events, weiterzubilden, um inhaltlich gewappnet zu sein, was in Zukunft von Kundenseite her gefragt sein könnte. Das Votum des Moderators des Messebautalks, Urs Seiler: «Messebauer, bildet Euch jetzt weiter in digitalen, hybriden Technologien. Betrachtet es als wertvolle, temporäre Weiterbildung, als Herausforderung, die Spaß macht.»


Teilnehmer: Fredi Schnider, Stauffis Messebau. Roland Steinmetz, Steinmetz Expo. Urs Bischoff, Bexpo. Andy Pape, Cyril Pape, Pape Werbe AG. Urs Blöchlinger, Display Team. Andreas Kern, JMT Mietmobiliar. Frank Marreau, Expomobilia. Urs Seiler, smartville.digital.


PS: User, bleib’ hier dran. smartville.digital publiziert in der Weihnachtspause einen Stimmungsbericht der auftraggebenden Wirtschaft.

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