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«Davon ausgehen, dass die pandemische Situation wieder zunehmen wird»

Die Chancen sind groß, dass die Infektionszahlen wieder steigen respektive viel höher liegen werden, als wir das früher antizipiert hatten. Aber wie damit umgehen in der Veranstaltungswirtschaft? smartville.digital Kurzinterview mit Arzt Andreas Juchli.


by Andreas Juchli*| 7. Juli 2022



Mit dem zweimal ausverkauften Doppelkonzert der Gruppe Rammstein im Zürcher Letzigrundstadion endete die dreijährige COVID-Pause in der medizinischen Betreuung von Großveranstaltungen. Was sind die Aktivitäten von JDMT Medical Services um Großevents?

JDMT macht medizinische Konzepte für Veranstalter inklusive Risikoanalysen für medizinische Ereignisse in Abhängigkeit der TeilnehmerInnenzahl oder dem Verhalten der teilnehmenden Personen. Wir erstellen Szenarien, welche Situationen eintreffen könnten und wie man im Notfall allfälligen Patienten gerecht werden könnte. Das sind Szenarien, die sich über die Jahre nicht wesentlich geändert haben. Wir haben eine Routine in der Beantwortung dieser Szenarien entwickelt.


Das Rammstein Konzert im Zürcher Letzigrund hat stattgefunden, als es wieder ohne Covid-Schutzmaßnahmen möglich war. Klar, für Covid ist das ein ideales Umfeld, sich wieder auszubreiten. Trotz aktuell steigender Fallzahlen werden noch keine weiterführenden Massnahmen getroffen. Selbst unsere Mitarbeitenden tragen aktuell im Einsatz noch keine Maske.



Was ist die Mission von JDMT im Eventgeschäft?

Wir sind ein medizinisches Unternehmen. Jede Person steht für uns im Mittelpunkt. Zielsetzung an Events ist es natürlich, dass es nicht zu einem Ereignis mit Schaden kommt. Darauf allerdings haben wir als medizinischer Dienstleister wenig Einfluss. Da wo Eingriffe notwendig sind, besteht unsere Mission dann darin, einer Person schnell und wirksam zu helfen.


Covid ist im Veranstaltungsbereich noch nicht verschwunden. Primär begleiten wir Veranstaltungen wie zum Beispiel das Leichtathletikfestival Weltklasse Zürich und beraten Veranstalter über bestehende Risiken in der Durchführung oder zu Fragestellungen wie den rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir geben Veranstaltern auch Hinweise, mit wem man allfällige Spielräume in der Handhabung der Risiken diskutieren kann.


Social Distancing und Maskentragen schützen nicht, wurde schon gesagt. Welche Maßnahmen befürworten Sie, um nicht wieder in einen Lockdown zu geraten?

Es ist wie mit Vielem im Leben: Wir müssen eine Risikokalkulation machen. Trotz den angeordneten Maßnahmen trifft das Virus vielleicht Einzelne, aber in der Summe erbringen Social Distancing und das Maskentragen einen Nutzen.


In der jetzigen Situation mit steigenden Covidzahlen müssen sich Mediziner und Politiker Gedanken machen, wie wir nicht die nächsten fünf Jahre Masken tragen und soziale Distanzierung verordnen müssen. Sie erbringen zwar einen Nutzen in der Reduktionen der Ansteckungen und der Verbreitung, aber gleichzeitig enorme soziale und psychische Nachteile. Wir brauchen jetzt Erholung von diesen Maßnahmen.



In Deutschland fürchtet man, dass wegen den steigenden Covidzahlen im Herbst 2022 wieder Maskentragen in der Öffentlichkeit und auf Messen eingeführt wird, der ultimative Businesskiller. Wie beurteilen Sie die Situation in der Schweiz?

Ich denke, man muss zwei Dinge unterscheiden: Erstens, wie sich die Pandemie medizinisch entwickelt. Und zweitens, welche Maßnahmen Politik und Behörden ergreifen wollen.


Man wird beobachten, wie sich die Fallzahlen entwickeln werden und ob durch Mutationen oder abnehmenden Impfschutz die Gefährdung für den Einzelnen zunimmt. Wäre es dann beispielsweise fahrlässig, einen Event durchzuführen?


Ich gehe davon aus, dass aktuell der Leidensdruck sehr groß werden müsste, bis Bund oder Kantone einschränkende Maßnahmen wie Isolation, Quarantäne oder Verbot von einzelnen Veranstaltungen ergreifen würde. Das wird aus aktueller Sicht eher nicht eintreffen.


Wie wird sich die Pandemie in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln? Wie können Veranstalter reagieren?

Letztlich weiss niemand, wie die Pandemie sich in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird. Die Chancen sind allerdings groß, dass die Zahlen wieder steigen respektive viel höher liegen werden, als wir das früher antizipiert hatten.


Veranstalter werden nach meinem Dafürhalten Covid deshalb noch viel stärker in ihre Planungen einbeziehen müssen. Aber die Fragestellung wird eher sein: wie gehen wir im Sinne einer Güterabwägung mit dem um, welche Konsequenzen sind zu ziehen? Ist es notwendig, dass eine Band wie Metallica ihr Konzert abbricht, weil ein Tourmanager positiv getestet wurde?


Wir müssen klar davon ausgehen, dass die pandemische Situation wieder zunehmen wird. Kombinationen des Covid-Virus mit anderen Viren, etwa Influenza, wie man das befürchtete, sind ja nicht eingetroffen. Anderseits habe auch ich als Mediziner bis vor kurzer Zeit noch nie etwas von Affenpocken gehört.


Veranstalter dürfen auch gerne auf Fachpersonen zugehen, die täglich mit der Pandemie zu tun haben. Diese wissen zwar nicht wirklich besser, was kommen könnte. Sie können aber den Veranstalter etwas davon entlasten, in die Kritik zu gelangen oder vielleicht auch übervorsichtig zu sein mit Maßnahmen, die definitiv nicht nötig gewesen wären.


*Andreas Juchli ist Arzt und CEO JDMT Medical Services AG, Pfäffikon. JDMT ist unter anderem tätig in der medizinischen Betreuung von Großveranstaltungen.


Interview: Urs Seiler



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