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Digitalisierung auf Messen ja, aber: Videomeetings sind nicht gefragt

Mit dem Messe-Impuls-Preis ausgezeichnete Arbeit: Videomeetings haben die geringsten Eindruckswerte. Aber Onlinevorträge verlängern eine Messe über Raum und Zeit. Auch virtuelle Messestände sind nicht gefragt.



von Mariell Renz*


Durch die Coronavirus-Pandemie wurde die Digitalisierung im Veranstaltungsbereich weiter vorangetrieben. Dies führte bei Messeveranstaltern zu einer erhöhten Akzeptanz und Flexibilität für neue, digitale Ansätze.So gelten die Digitalisierung und Coronavirus-Pandemie als wichtige Einflussfaktoren auf die Entwicklung hybrider Messen. Bei diesem Veranstaltungsformat handelt es sich um eine Mischform zwischen der klassischen, physischen Live-Messe und der virtuellen Messe in Form von digitalen Zusatzangeboten.[1]



Neben vielen weiteren Veranstaltungen der Messe Dornbirn GmbH konnte auch die Special- Interest-Messe com:bau auf Grund der Coronavirus-Pandemie nicht in ihrer gewohnten Form stattfinden. Daraufhin entschloss sich das Unternehmen für eine rein digitale Durchführung unter dem Namen «com:bau digital». Unter anderem hinsichtlich der fehlenden persönlichen Kommunikation sollte die ausschließlich virtuelle Durchführung der Special-Interest-Messe zunächst eine einmalige Alternative darstellen. Das Ziel der Messe Dornbirn GmbH ist, die physische Veranstaltung durch digitale Zusatzangebote zu erweitern und somit eine hybride Messe durchzuführen.


So wurde die Beantwortung der folgenden Forschungsfrage zum Ziel der Bachelorarbeit von Mariell Renz: «Welche Einstellung haben potentielle Besucher zu digitalen Zusatzangeboten bei einer hybriden Durchführung der com:bau?»


Um diese Frage beantworten zu können, wurde zur Datenerfassung die Methode der Online-Befragung potentieller Besucher in Form eines standardisierten Fragebogens gewählt. Die Einstellungsmessung erfolgte anhand einer adaptierten Form des Fishbein-Modells. Dabei bewerteten potentielle Besucher die Indikatoren «Wichtigkeit» und «Teilnahmewahrscheinlichkeit» auf einer fünfstufigen Skala, indem sie die beiden folgenden Fragen beantworteten:


Wie wichtig wäre Ihnen dieses digitale Zusatzangebot?


Wie wahrscheinlich wäre es, dass Sie daran teilnehmen würden?


Anhand dieser Bewertungen wurden mittels Kodierung und multiplikativer Verknüpfung der Antwortkategorien die Eindruckswerte ermittelt. Die Summe der Eindruckswerte ergibt die Einstellung zum jeweiligen Tool. In dieser Form wurden insgesamt sieben Tools untersucht, welche in der untenstehenden Tabelle dargestellt werden.



Quelle: Eigene Darstellung Abbildung: Übersicht Einstellung zu digitalen Zusatzangeboten


Videomeetings mit Ausstellern: geringe Eindruckswerte

Es wurde festgestellt, dass Video-Meetings mit Ausstellern die geringsten Eindruckswerte erhalten haben. Der digitale Messekatalog weist die höchsten Eindruckswerte auf. Somit liegt hier im Vergleich zu den anderen Tools eine besonders positive Einstellung vor.


Kein Ersatz für Live-Messen

Um die Einstellung der Probanden zu den jeweiligen digitalen Zusatzangeboten noch detaillierter zu untersuchen, wurden die Untersuchungsergebnisse nach Geschlecht, Alter und Wohnort selektiert und analysiert. Auch bezüglich der Altersgruppen kam die Untersuchung zu einem klaren Ergebnis: Die Befragten zwischen 40 und 59 Jahren haben ihre Wichtigkeit und Teilnahmewahrscheinlichkeit bei den Tools durchgehend am höchsten bewertet. Dabei weist der digitale Messekatalog erneut die beste Bewertung auf.


Als wichtiger Vorteil hybrider Messen wird die geografische Unabhängigkeit gesehen. Die Untersuchung hat hierzu ergeben, dass die Einstellung von Probanden, welche mindestens 30 Kilometer vom Messequartier Dornbirn entfernt wohnen, tendenziell besser bewertet wurde. Somit lässt sich vermuten, dass mit steigender Entfernung des Wohnorts zum Veranstaltungsort eine verhältnismäßig höhere Wichtigkeit und Teilnahmewahrscheinlichkeit an digitalen Zusatzangeboten vorliegt. Der Vorteil der geografischen Unabhängigkeit bei hybriden Messen wird demnach bestätigt.


Handlungsempfehlungen: Ältere Generationen auf sozialen Netzwerken ansprechen

Auf Grund der äußerst positiven Bewertung der Einstellung gegenüber dem digitalen Messekatalog wird empfohlen, diesen im Rahmen einer hybriden Durchführung der com:bau umzusetzen. Um Besuchern noch schneller die für sie relevanten Informationen zu bieten, könnte dem digitalen Messekatalog eine Suchfunktion hinzugefügt werden. Zudem wird auf Grund der hohen Eindruckswerte empfohlen, Vorträge als sogenannte «Videos on demand» auch noch nach der Messe über die Website zur Verfügung zu stellen.


Die Begleitung der com:bau durch Social Media sollte gemäß den Eindruckswerten ebenfalls erweitert werden. Dabei sollte die Altersgruppe der 40- bis 59-Jährigen explizit angesprochen werden, da diese Zielgruppe bezüglich der digitalen Zusatzangebote besonders hohe durchschnittliche Eindruckswerte aufweist.


Virtueller Messestand: Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht

Auf Grund der vergleichsweise geringen Eindruckswerte wird von einer Umsetzung virtueller Messestände und der Möglichkeit, persönliche Gespräche über Video-Meetings mit Ausstellern anzubieten, vorerst abgeraten.


Dabei spielt insbesondere bei virtuellen Messeständen der kostenintensive Produktionsaufwand eine wichtige Rolle. Grundsätzlich wird jedoch der Einsatz digitaler Zusatzangebote bei der com:bau empfohlen, da bei den potentiellen Besuchern offensichtlich eine gewisse Wichtigkeit und Teilnahmewahrscheinlichkeit bei digitalen Zusatzangeboten vorliegt. Da die Zukunft zweifellos noch digitaler wird, sollten sich Messeveranstalter somit der Herausforderung stellen, sich an die zunehmende Digitalisierung fortschreitend anzupassen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.


*Mariell Renz hat im September 2021 ihr Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg «BWL – Messe-, Kongress- und Eventmanagement» erfolgreich abgeschlossen. Mit Ihrer Bachelorarbeit «Die Einstellung von potentiellen Besuchern zu digitalen Zusatzangeboten bei hybriden Messen» hat sie den Messe-Impuls-Preis des FAMA – Fachverband für Messen und Ausstellungen e.V. gewonnen.

[1] Geisser, M. (2013): Virtuelles Event, in: Dinkel, M.; Luppold, S.; Schröer, C. (Hrsg.): Handbuch Messe-, Kongress- und Eventmanagement, Sternenfels (Verlag Wissenschaft und Praxis), S. 230–234.



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