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Eventmanagement: «Es wird nie wieder wie früher sein»

Mit den Erfahrungen aus dem pandemie-induzierten Digitalisierungsschub werden viele Unternehmen künftig genauer hinschauen, welche Events, Messen und Kongresse notwendigerweise in Präsenz stattfinden müssen – oder ob digitale oder hybride Formate sinnvoller sind.


by Tobias Wannieck* | 19. Februar 2022



Tobias Wannieck, Joe Pine sagt, ohne Erlebnisse gibt es keine wirtschaftliche Erholung. Wie beurteilst Du das?

Erlebnisse sind für viele Branchen ein wichtiger Motor. Wenn man sich die Börsen anschaut, haben die letzten zwei Jahre aber auch gezeigt, dass die Wirtschaft kurzfristig mit stark zurückgefahrenen Präsenzerlebnissen erstaunlich stabil über die Runden kommt. Sicherlich auch Dank der entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen wie staatlichen Überbrückungshilfen oder der Verlagerung von Erlebnissen ins Digitale.


Mit den Erfahrungen aus dem pandemie-induzierten Digitalisierungsschub werden viele Unternehmen künftig genauer hinschauen, welche Events, Messen und Kongresse notwendigerweise in Präsenz stattfinden müssen – oder ob digitale oder hybride Formate sinnvoller sind.



Nach Covid, so wird gemutmaßt, kommt es zu einer Kontraktion von Events, weil die Angst vor einer Ansteckung zu groß ist. Wie beurteilst Du diese Aussage?

Das glaube ich weniger. Die Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen und echten Live-Erlebnissen ist stärker. Eine gewisse Angst und Unsicherheit ist bei vielen aktuell noch da, aber sie wird bei abnehmender Gefahrenlage verschwinden. Die Menschen vergessen schnell.


Vor einem Jahr hast Du beim Event Management Circle zwei Webinare zum Eventmanager 2.0 gehalten. Du hast gesagt «Was bleibt ist das Virus. Die Kröte, die wir schlucken müssen, heißt Sicherheit.» Wie beurteilst Du das heute?

Das war in der Zeit, als die große Mehrheit noch ungeimpft war. Und auch heute sehen wir, dass Infektionsschutzmaßnahmen auf Veranstaltungen ein wichtiger Baustein für das Sicherheitsempfinden der Teilnehmenden sind. Das könnte sich im Frühjahr/Sommer aber schon deutlich entspannen.


Eignet sichjedes Eventformat zur Digitalisierung?

Definitiv nicht. Das haben ja viele zur Genüge ausprobiert. Incentives und Teambuildings am Schreibtisch? Geht so. Ein Gala-Dinner aus einem Paket aufzuwärmen und vor dem Bildschirm zu konsumieren kann eine interessante Erfahrung sein, ist aber kein gleichwertiger Ersatz.


Wir leben im Zeitalter der digitalen Transformation. Was bedeutet diese in Bezug auf das Eventmanagement?

Die digitale Transformation ist ja schon viel länger im Gange, als es vielen scheint. Email, Outlook, Excel und Powerpoint sind als digitale Tools im Eventmanagement schon seit den 90ern im Einsatz. Nur existieren schon seit Jahren bessere, effizientere digitale Werkzeuge, beispielsweise für agiles Projektmanagement oder schnellere Kommunikation. Und die setzen sich dank des durch die Pandemie erzwungenen Schubs endlich durch.


Ihr habt ein neues, bemerkenswertes neues Buch «Tofu für Kannibalen. In 10 Schritten zu erfolgreichen Eventkonzepten» verfasst zum Thema Kreativität und wie man sie loslöst. Wie wichtig ist im digitalen Zeitalter Technologie im Verhältnis zu Kreativität von Events?

In der Live Kommunikationsbranche wird das Thema Technologie häufig missverstanden. Sie dient ja nicht zum Selbstzweck. Technologie ist Werkzeug und Vehikel, um Eventziele zu erreichen. Erst wenn ich diese Ziele sauber definiert habe, kann ich im kreativen Prozess erarbeiten, ob Technologie einen wirkungsvollen Beitrag leisten kann. Nach unserer Erfahrung ist eine gute kreative Idee zunächst mal unabhängig von Technologie, Kanälen oder Budgets.


Wann kommt es für Events und Messen in Deutschland wieder zu einem Normalzustand oder etwas Ähnlichem mit Wegfall von Maßnahmen wie Maskentragen? Wie wird er aussehen?

Es wird nie wieder wie früher sein. Schon vor der Corona-Krise waren beispielsweise viele Messeformate aus der Zeit gefallen. Auch etliche Eventformate steckten in einer konzeptionellen Sackgasse und litten unter BesucherInnenerosion. Aber die Maßnahmen werden bereits im Sommer großenteils wegfallen. Und je nach Lage nächsten Winter vielleicht auch wieder kommen.


Wie lange sind Unterstützungsmaßnahmen aufgrund des obigen Szenarios notwendig? Was bedeutet das für Eure Agentur?

Für die Masterclass rechnen wir mit einer baldigen Renaissance der Präsenzseminare. Wir planen auch eine Staffel in der Schweiz im Spätsommer oder Herbst. Unterstützungsmassnahmen sind dann hinfällig.


Gibt es einen Weg zurück zu den «good old times»?

Nein, dafür ist zu viel passiert, dafür haben wir zu viel gelernt. Aber ist das überhaupt erstrebenswert? Ich freue mich eher auf «better new times».


Wie wichtig sind hybride Events in Zukunft? Was spricht für digitale Events?

Das Kostenthema für digitale Events war zu Beginn der Pandemie für viele Unternehmen überraschend. Inzwischen wissen die meisten, dass professionell produzierte, erfolgreiche digitale Formate keineswegs günstiger sind als entsprechende Präsenzveranstaltungen.


Das Thema hybride Events ist ebenfalls spannend und komplex. In unserer Masterclass bieten wir ein eigenes Seminar, um mit den gängigen Vorurteilen aufzuräumen.


Eines steht fest: digitale und hybride Events werden sich dort, wo sie ihre Vorteile gegenüber reinen Präsenzveranstaltungen, zum Beispiel in Effizienz, Nachhaltigkeit, Planungssicherheit ausspielen können, als zusätzliche Disziplinen der Live-Kommunikation etablieren und sich kontinuierlich weiterentwickeln.


Take Outs




*Tobias Wannieck ist freier Creative Consultant für Live-Kommunikation, Referent und Fachautor. Der Münchner berät Unternehmen und Agenturen im Bereich Strategie- und Konzeptentwicklung für räumliche Markenerlebnisse. Seine Arbeiten haben ihm 50 internationale Awards eingebracht. Seit 2006 ist er Mitglied im ADC und Juror beim ADC-Wettbewerb.

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