Die MCH Group kommt immer noch nicht zur Ruhe. Sie gibt zwar den Anschein, dass es sich beim vorgeschlagenen Verwaltungsrat um eine geordnete Veränderung handelt. Aber die wichtigsten Fragen bleiben nach wie vor unbeantwortet.
by Urs Seiler | 18. Januar 2021
Die MCH Group gibt am späten Samstag Abend, 16. Januar 2021 personelle Erneuerungen im Verwaltungsrat und fast verschämt die Verabschiedung des nur kurz, seit April 2019 im Amt gewesenen CEO Bernd Stadlwieser bekannt. Das entsprechende Pressecommuniqué wirft allerdings mehr Fragen auf als es beantwortet.
Der amtierende Verwaltungsrat der MCH Group schlägt der Generalversammlung vom 28. April 2021 Andrea Zappia (links im Bild), ehemaliger Mitarbeiter des Vaters des Ankeraktionärs James Murdoch vor. «Ich freue mich außerordentlich auf diese neue Aufgabe» wird er im Pressecommuniqué zitiert und «die MCH Group hat grosse Potenziale für eine prosperierende Weiterentwicklung».
Worin diese liegen kann, zu einem Zeitpunkt, an dem die gesamte europäische Messewirtschaft am Boden liegt, wird nicht gesagt. Wenn das Messegeschäft mindestens für das Jahr 2021, vielleicht länger, höchst fraglich ist, besteht dann die «prosperierende Weiterentwicklung» im Geschäft mit den ungenutzten, teuren Messegeländen in Basel und Zürich, die laufend Konkurrenz von neuen Eventlocations erhalten? Lohnt sich die Überlegung, diese vom Veranstaltungsgeschäft abzukoppeln, das heisst zu veräussern, wie das Messe-Experten der internationalen Messewirtschaft vorschlagen? Spricht man bei der MCH Group darüber?
Als Vizepräsident vorgesehen ist Marco Gadola (rechts im Bild). Er war bereits von 2016 bis 2019 Mitglied des Verwaltungsrates, also in einer Phase, in der die ehemalige Weltleitmesse Baselworld, unterging. Was hat jetzt zu seiner Rückkehr geführt?
Der Verwaltungsrat und der bisherige CEO Bernd Stadlwieser seien «einvernehmlich übereingekommen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen», heisst es weiter im Pressecommuniqué. Dieser Allgemeinplatz wird von der Basler Zeitung allerdings gleich entkräftet, denn offenbar hat der scheidende CEO den Mitarbeitenden sein eigenes Communiqué zukommen lassen, in dem er seinen Abgang der Pressemeldung vorwegnahm.
Gemäss dem Pressecommuniqué der MCH Group habe Bernd Stadlwieser «viele wertvolle Impulse für die erforderliche Transformation und Neupositionierung» gegeben. Aber gerade diese Impulse respektive die entsprechende Strategie blieben bis heute unbekannt und ebenso, ob der scheidende CEO mit seinen Ideen, wenn sie denn existierten, am Verwaltungsrat gescheitert ist: Kommt eigentlich die auf Ende April 2021 angekündigte HourUniverse als Nachfolge der Baselworld und mit welchem Inhalt, ist eine Austragung angesichts der kurzen verbleibenden Zeit für Konzept (hybrid? rein digital?) und Akquise von Ausstellern und BesucherInnen ausreichend? Ob Ja oder Nein, warum wird das nicht kommuniziert? Und was ist von der geplanten Swissbau vom Januar 2022 zu erwarten? Findet sie statt? Wie gross ist der durch Corona verursachte Schaden in Bezug auf nicht mehr teilnehmende oder kleiner auftretende Aussteller?
Weitere Fragen, die von der MCH Group nicht beantwortet, aber mit Schlagworten laufend eingeworfen werden, sind: Was genau bedeutet «digitale Transformation» für die Messen in Basel und Zürich? Werden diese jetzt gänzlich digital? Was ist die Langzeitstrategie? Hybride, das heisst sowohl reale als auch digitale Messen und Kongresse, ist das die bleibende Zukunft post-Corona? Soll «digital» kapitalisiert werden und einen Beitrag zum Ertrag der MCH Group leisten oder wie das Experten postulieren primär den Zweck verfolgen, reale Messen und Events zu stärken? Verfügt ein Messeveranstalter überhaupt über die notwendige Kreativität für die Etablierung von digital transformierten Plattformen oder müsste man nicht gerade dazu ausgewiesene Spezialisten im Verwaltungsrat haben?
Das Amt des scheidenden CEOs wird vorübergehend Beat Zwahlen übernehmen. Die Frage die sich aber stellt, besteht jetzt darin, wie genau die Suche nach einem CEO verläuft und mit welchem Anforderungsprofil? Vielleicht ist es selbstverständlich, vielleicht hat man es vergessen, aber dass die MCH Group jetzt (dringend) einen neuen CEO sucht und mit welchen Rekrutierungsprozess – davon ist im Pressecommuniqué mit keinem Wort die Rede.
Fazit
Krisen können auch Chancen generieren. Aber für diese Chancen braucht es die richtigen Leute. Das Profil und die Rekrutierung des künftigen CEOs wird eine entscheidende Weichenstellung bedeuten. Die Chance, die die MCH Group hat, besteht darin, jetzt endlich mit den jedermann bekannten Spezialisten in der europäischen Messewirtschaft wenigstens zu sprechen.
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