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«Messeplätze sind jetzt für Übernahmen interessant»

Messen werden verstärkt zu den Kunden, in deren Regionen gehen. Gleichzeitig dürfte es zu Übernahmen und Allianzen kommen. Messemacher Udo Schürtzmann macht eine Bestandesaufnahme zur Messewirtschaft. English below.


by Udo Schürtzmann* | 26. Februar 2021


«Messe-Allianzen sind eine gute Idee»



Hallo Udo, was beschäftigt Dich zur Zeit zur internationalen Messewirtschaft am meisten?

Am meisten beschäftigt mich derzeit, dass viele Messeveranstalter, ob national oder international aufgestellt, teilweise noch immer nicht sehen wollen, dass sich die Messewelt post Covid-19 verändert. Sie nehmen es wahr, denken aber häufig, nach dem Verschieben einer Messe oder einer zusätzlichen digitalen Plattform ginge es weiter wie bisher. Diese Rechnung wird langfristig nicht aufgehen. Vor allem deutsche Messeplätze mit ihren zahlreichen Weltleitmessen werden bald zu spüren bekommen, dass sie auf lange Sicht zu lokalen Veranstaltungen schrumpfen werden.


Messen sollten jetzt zu den Märkten und nicht umgekehrt. Das Reiseverhalten wird restriktiver. Das werden vor allem die Weltleitmessen zu spüren bekommen. Die Messe Frankfurt hat im Jahr 2020 immerhin noch EUR 250 Millionen Umsatz generiert, dies vor allem, weil sie ihre Marken erfolgreich in anderen Wachstumsmärkte positioniert hat. Da besteht bei anderen Veranstaltern Nachholbedarf.


«Veranstaltungen werden von den Zentren in die Regionen gehen.»


Du bist heute Interim Manager des Novosibirsk Expocenter, Du selber mit Standort in Lörrach in Deutschland. Mit welchen Aufgaben und welchem Pflichtenheft? Kannst Du Dir einen Umzug nach Novosibirsk vorstellen?

Ich bin in der Tat noch interim Managing Director bei Novosibirsk Expocenter, aber ich war das letzte Mal im Februar 2020 dort. Ich hatte Ende 2018 meine Hilfe zugesagt, als der Hauptpartner sich kurzfristig entschlossen hatte, mit dem Messeportfolio dort nicht mehr zur Verfügung zustehen. Da mussten Messen innerhalb von zwei Monaten mit einem anderen Namen aufgezogen und durchgeführt werden. Und es hat funktioniert!

So haben wir eine Basis geschaffen, auf der man aufbauen kann. Bis vor kurzem war natürlich Messestillstand, aber seit rund einem Monat kann man in Russland wieder Messen veranstalten. Die ersten Messen sind zwar nicht sonderlich groß – aber sie sind zurück. Dann bin ich behilflich einen langfristigen Partner zu finden. Und ja, Novosibirsk ist eine lebenswerte Stadt, man kann dort gut leben. Meine Position war aber von Beginn an als temporäre Unterstützung und Support konzipiert. Das wird sich auch nicht ändern.


Wie präsentiert sich die Messesituation in Russland? Welche Schutzmaßnahmen bestehen und sind obligatorisch?

Dass in Russland und in Zukunft verstärkt auch in den russischen Regionen wieder Messen veranstaltet werden, sehe ich durchaus positiv. Auch hier werden die Veranstaltungen mehr zu den lokalen Märkten gehen. Die Schutzmaßnahmen sind ähnlich streng wie in Europa. Ich habe bei einer Veranstaltung in Moskau gesehen, dass Besucher sogar Einweghandschuhe tragen mussten.


Wird es in der Messewirtschaft eine Zeit nach Covid-19 geben oder nur eine Zeit «mit Covid-19»? Wie beurteilst Du die Situation? Was bedeutet das für die europäische Messewirtschaft?

Die ersten Veranstaltungen nach dem Lockdown werden unter strengen Schutzmaßnahmen stattfinden, einige werden nach digitalen Plattformen respektive Ergänzungen suchen, wieder andere werden versuchen, Allianzen einzugehen, um das Schrumpfen und die Transformation der Weltleitmessen in regionale oder nationale Veranstaltungen besser zu verkraften. Eine gute Idee, wie ich finde.


Nehmen wir die MCH Group als Beispiel. Sie hat, mit Ausnahme der ART Basel, überwiegend regionale oder nationale Veranstaltungen. Ein Beispiel ist die Swissbau. An solchen nationalen Messen wird sich langfristig nicht allzuviel ändern, aber ganzjährig verfügbare Onlineplattformen könnten hinzukommen, auf denen die Kunden auf neuartige Weise laufend über Veränderungen und Neuheiten in ihrer Branche informiert bleiben.


Internationalisierung bedeutet in Zukunft, dass die Messen zu den Märkten gehen, was intensiviert werden wird, vielleicht entstehen neue Partnerschaften, vielleicht Zukäufe durch die großen Veranstalter.


«Wegen ihrem sinkenden Wert werden Messen

für Übernahmen durch Investoren interessant.»


In China finden seit Oktober 2020 wieder Messen mit 2000 Ausstellern und 150'000 BesucherInnen statt. Was läuft da anders, besser als in Europa?

Ich würde nicht sagen, dass es besser läuft, als bei uns. Es läuft anders in China. Dort hat man früh die Grenzen geschlossen und konnte das Virus in Schach halten. In China finden wieder Veranstaltungen statt, keine Weltleitmessen zwar, aber wie vor COVID 19, Messen für den chinesischen Markt.

Dein Geschäftspartner Björn Kempe sagt im smartville.digital-Interview, Messeveranstalter seien «zu langsam, zu fad, zu innovationslos». Das weckt wenig Hoffnung, dass sie die Covid-Krise angemessen zu meistern in der Lage sind. Sind Messeplätze fähig zur Transformation oder geht es einfach weiter wie bisher und mit welchen Konsequenzen? Werden Messeveranstalter von IT-Firmen rechts überholt?

Ich würde das nicht so dramatisch sehen, wie mein Kollege, aber seine Aussage hat einen Kern der Wahrheit. Viele Messeveranstalter stürzen sich in ein digitales Abenteuer. Digitale Messen können eine temporäre Lösung sein, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben. Gleichwohl sollte man überlegen, wie man sie als sinnvolle Ergänzung zu den physischen Veranstaltungen integriert.


Hoffen wir, dass es in Europa bald wieder weiter gehen kann in der Messewirtschaft. Darauf müssten Messeveranstalter vorbereitet sein, auf die Wiederbelebung von Messen, flankiert durch eine digitale Erweiterung.


Dass Messefirmen von IT Unternehmen bezüglich Events und Messen überholt werden sehe ich aus diesem Grund, der Vorherrschaft der Bedeutung von persönlichen Treffen, nicht.


Björn Kempe sagte in demselben Interview vor einem Jahr, dass es jetzt wohl zu Kooperationen, Fusionen und gar Übernahmen von Messeplätzen kommen werde. Wie beurteilst Du die Situation ein Jahr später?

Dies sehe ich ähnlich. Wie bereits erwähnt, können Kooperationen unter Messegesellschaften durchaus positive Ergebnisse hervorbringen. Sei es, um gemeinsam neue Märkte zu erschließen oder Veranstaltungen zu kombinieren. Auch das Mergers & Acquisitions-Geschäft wird zulegen. Wegen ihrem sinkenden Wert werden Messen oder ganze Messeplätze für Investoren oder große Messegesellschaften für Übernahmen durch Investoren interessant.


Jochen Witt und Gerd Weber sagen, hybride Messen seien wie eine hybride Dusche. Was ist Deine Ansicht in Bezug auf die oft gehörten «hybriden Messen» oder sogar «virtuelle Messen»?

Ich sehe dieses Modell eher kritisch und Onlinelösungen nur als Ergänzung. Reine Onlinemessen werden es schwer haben. Das Feeling in einer Messehalle zu sein und mit allen Sinnen zu erleben, dem Geschäftspartner vor Abschluss in die Augen sehen - das werden Onlinelösungen nicht anbieten können.


*Udo Schürtzmann hat mehr als dreissig Jahre Messeerfahrung, war acht Jahre Managing Director Messe Düsseldorf in Indien und drei Jahre General Manager und interim Managing Director Messe Frankfurt in Russland und mehr als drei Jahre CEO bei Hyve/ITE in Indien und ist jetzt interim Managing Director Novosibirsk Expocenter. Er wohnt in Lörrach.


Interview: Urs Seiler


-------- English --------


«Some trade fair venues are now takeover candidates»


Trade fairs will increasingly go to customers in their regions. At the same time, there are likely to be takeovers and alliances. Trade fair organiser Udo Schürtzmann assesses the situation.


by Udo Schürtzmann* | 26. Februar 2021


«Trade fair alliances are a good idea.»



Hi Udo, what’s your main concern as regards the trade fair industry?

What concerns me most at the moment is that many trade fair organisers, whether nationally or internationally positioned, still partly do not want to see that the trade fair world is changing after Covid-19. They perceive it, but often think that after moving a trade fair or after establishing an additional digital platform, things will continue as before. This speculation will not work out in the long run. German trade fair venues in particular, with their numerous world-leading trade fairs, will soon feel that they will shrink to local events in the long run.


Trade fairs should now move to the areas where their customers are and not the other way around. Travel behaviour is becoming more restrictive. This will be felt above all by the world's leading trade fairs. Messe Frankfurt still generated 250 million Euro in sales in 2020, mainly because it has successfully positioned its brands in other growth markets. Other organisers have some catching up to do.


«Events will move from the centres to the regions.»


Today you are the interim manager of the Novosibirsk Expocenter, but you live in Lörrach, Germany. What are your tasks and what are your job specifications? Can you imagine moving to Novosibirsk?

I am indeed still interim managing director at Novosibirsk Expocenter, but the last time I was there was in February 2020. I had agreed to help at the end of 2018 when the main partner decided at short notice to no longer be available with the trade fair portfolio there. Within two months, trade fairs had to be set up and run under a different name. And it worked!


Thus we have created a basis on which to build. Until recently, of course, there was a standstill at the trade fairs, but for about a month now it has been possible to organise trade fairs in Russia again. The first fairs are not very big - but they are back. Then I help to find a long-term partner. And yes, Novosibirsk is a liveable city, you can live well there. But my position was designed from the beginning as temporary support and assistance. That will not change.


What is the trade fair situation in Russia like? What protective measures exist and are mandatory?

I see the fact that trade fairs are being organised again in Russia and increasingly in the Russian regions in the future as quite positive. Here, too, the events will go more to the local markets. The protective measures are similarly strict as in Europe. I saw at an event in Moscow where visitors had to wear disposable gloves.


Will there be a time after Covid-19 in the trade fair industry or only a time with Covid-19? How do you assess the situation? What does this mean for the European trade fair industry?

The first events after the lockdown will take place under strict protective measures, some will look for digital platforms or supplements, still others will try to form alliances to better cope with the shrinking and transformation of the world's leading trade fairs into regional or national events. A good idea, in my opinion.


Let's take the MCH Group as an example. With the exception of ART Basel, it has mainly regional or national events. One example is Swissbau. Such national exhibitions will not change too much in the long term, but online platforms that are available all year round could be added, where customers are constantly informed about changes and innovations in their industry in a new way.


In the future, internationalisation means that the fairs will go to the markets, which will be intensified, perhaps new partnerships will emerge, perhaps acquisitions by the big organisers.


«Because of their declining value, trade fairs

become interesting for takeovers by investors.»


In China, trade fairs with 2000 exhibitors and 150,000 visitors have reopened since October 2020. What is going on in China that is different, better than in Europe?

I wouldn't say it's better than here. It's different in China. They closed the borders early and were able to keep the virus in check. Events are taking place again in China, not world-leading trade fairs, but like COVID 19 before, trade fairs for the Chinese market.


Your business partner Björn Kempe says in the smartville.digital interview that trade fair organisers are «too slow, too bland, too lacking in innovation». This raises little hope that they are capable of adequately mastering the Covid-19 crisis. Are trade fair venues capable of transformation or do they just continue as before and with what consequences? Are trade fair organisers being overtaken by IT companies?

I wouldn't see it as dramatically as my colleague, but his statement has a some truth. Many trade fair organisers are rushing into a digital adventure. Digital fairs can be a temporary solution to stay in touch with customers. Nevertheless, one should consider how to integrate them as a meaningful complement to physical events.


Let's hope that things can soon pick up again in the trade fair industry in Europe. Trade fair organisers must be prepared for this, for the revival of trade fairs, flanked by a digital expansion.


I don't see trade fair companies being overtaken by IT companies in terms of events and trade fairs for the reason of the predominance of the importance of face-to-face meetings.


Björn Kempe said in the same interview a year ago that there would probably now be cooperations, mergers and even takeovers of trade fair venues. How do you assess the situation one year later?

I see this in a similar way. As mentioned, cooperations among trade fair companies can definitely produce positive results. Be it to jointly open up new markets or to combine events. The mergers & acquisitions business will also increase. Because of their declining value, trade fairs or entire exhibition venues are becoming interesting for investors or large exhibition companies for takeovers by investors, as can currently be seen with the MCH Group.


Jochen Witt and Gerd Weber say hybrid fairs are like a hybrid shower. What is your view on the often heard «hybrid fairs» or even «virtual fairs»?

I see this model rather critically and online solutions only as a supplement. Purely online trade fairs will have a hard time. The feeling of being in a trade fair hall and experiencing it with all your senses, looking your business partner in the eye before closing - online solutions will not be able to offer that.


*Udo Schürtzmann has more than thirty years of trade fair experience, was Managing Director Messe Düsseldorf in India for eight years and General Manager and interim Managing Director Messe Frankfurt in Russia for three years and CEO of Hyve/ITE in India for more than three years and is now interim Managing Director Novosibirsk Expocenter. He lives in Lörrach, Germany.


Translated from German into English with deepl.com


Interview: Urs Seiler

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