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Nachhaltigkeit und Ingenieurskunst: Nach der Expo Osaka ist vor der Expo Riad für NÜSSLI

Schweizer Präzision und Ingenieurskunst: Mit seinen 25 Jahren Expo-Erfahrung hat das Hüttwiler Unternehmen NÜSSLI auf der Expo 2025 in Osaka, Japan fünf hochstehende, logistisch herausfordernde Länderpavillons realisiert. Andy Böckli, CEO, und Stefan Sekiguchi, COO Special Projects sprechen im smartville digital-Interview über die besonderen Herausforderungen in Osaka und darüber, wie man aus dem beschaulichen Hüttwilen zum globalen Leader wird.

 

von Urs Seiler || 9. September 2025

 

Von Hüttwilen zum Weltmarktführer: NÜSSLI ist eine der weltweit bekanntesten Marken für Live-Kommunikation. Wie kam es so weit?


Andy Böckli, CEO NÜSSLI Gruppe
Andy Böckli, CEO NÜSSLI Gruppe

Andy Böckli: NÜSSLI ist seit Jahrzehnten dort, wo Menschen zusammenkommen – an Sport- und Kulturanlässen. Unser Weltruf kommt von Projekten, die nicht nur sichtbar, sondern auch prägend sind: Olympische Spiele, Expo-Pavillons, Schwingfeste, Konzerte. Was NÜSSLI dorthin gebracht hat, ist unsere Fähigkeit, komplexe Projekte termingerecht und in höchster Schweizer Qualität umzusetzen – und das immer und immer wieder.

 

Was war Dein erstes oder schönstes Weltausstellungserlebnis?

Andy Böckli: Meine erste Expo war 2005 in Aichi, Japan. Ich arbeitete damals noch in der Industrie und wusste nicht, was eine Weltausstellung ist, aber der japanische Geschäftsführer unseres Unternehmens sagte zu mir: «Es ist Expo, da gehen wir hin.» Den ersten Pavillon, den ich besuchte, war der Schweizer Pavillon. Aichi wurde für mich ein faszinierender Einblick in die Welt der Weltausstellungen, der bis heute nachklingt. Mein Lieblingspavillon auf der aktuellen Expo 2025 in Osaka ist jener von Usbekistan mit seiner ästhetischen, reduzierten Architektur, aber mit maximaler Ausstrahlung.

 

Auf der Expo 2025 Osaka hat NÜSSLI fünf Länderpavillons realisiert. Welcher Erfahrungsschatz aus den bisher über 54 von NÜSSLI gebauten Länderpavillons hat dabei geholfen?


Stefan Sekiguchi, COO Special Projects der NÜSSLI Gruppe
Stefan Sekiguchi, COO Special Projects der NÜSSLI Gruppe

Stefan Sekiguchi: Osaka ist bereits die neunte Länderausstellung, auf der NÜSSLI mit Pavillonbauten aktiv ist – die erste war die Expo Hannover im Jahr 2000. Diese Erfahrungen haben massgeblich dazu beigetragen, dass wir die individuellen Herausforderungen vor Ort in Japan erfolgreich meistern konnten. Auf der World Expo 2025 in Osaka baute NÜSSLI die fünf Länderpavillons der Schweiz, Österreichs, Kuwaits, Usbekistans und Brasiliens. Rund 50 fest angestellte NÜSSLI Mitarbeitende kamen während der Bauphase zum Einsatz, 40 davon permanent vor Ort in Osaka, dazu noch die vielen Lieferanten und Baupartner – in Spitzenzeiten bis zu 500 Personen.

 

Was haben die fünf Länderpavillons an Manpower, Logistik und Schweizer Ingenieurskunst benötigt? Was waren die grössten Herausforderungen?

Stefan Sekiguchi: Dazu gehört insbesondere das japanische Baurecht. Da das Land immer wieder von schweren Erdbeben heimgesucht wird, gelten besonders strenge Anforderungen in Bezug auf Erdbebensicherheit. Da sich das Expo-Gelände auf der eigens für die Weltausstellung künstlich aufgeschütteten Insel Yumeshima in der Osaka-Bucht befindet, gab es besondere Herausforderungen hinsichtlich Anfahrt, Logistik und Tragkraft des Baugrunds. In der Folge erforderte die anspruchsvolle Baugrundstabilität bei mehreren Pavillons eine kurzfristige Umplanung des Fundaments, die planerisch und zeitlich sehr aufwendig war. Auch die aktuelle geopolitische Weltlage wirkte sich auf unsere Abläufe aus, da die Laufzeiten für Transporte auf dem Seeweg und den Import nicht fix gegeben waren.

 

Wie ist der Schweizer Pavillon mit seinen ikonischen sphärischen Kugeln aufgenommen worden?


Schweizer Pavillon «La Suisse enchantée». Bild: NÜSSLI / Stefan Schilling
Schweizer Pavillon «La Suisse enchantée». Bild: NÜSSLI / Stefan Schilling

Andy Böckli: Der Pavillon stösst auf grosse Begeisterung – lange Warteschlangen, strahlende Besucher und Selfies mit Heidi bestätigen seine Wirkung. Unter dem Motto «From Heidi to High Tech» vermittelt er die Schweiz als Innovationszentrum, besonders durch interaktive Zonen. So hat er sich als emotionaler und leistungsfähiger Innovationshub in den Expo-Erinnerungen festgesetzt.

 

Die Pressemitteilung von NÜSSLI spricht von Knacknüssen der durch Manuel Herz Architekten entworfenen pneumatischen, kugelförmigen Konstruktion. Was waren diese und wie hat NÜSSLI sie gelöst?

Stefan Sekiguchi: Die Idee der leichten, pneumatischen Sphären ist architektonisch wie gestalterisch ein grosser Wurf – der Schweizer Pavillon ist damit der leichteste in Osaka. Die Umsetzung war jedoch technisch äusserst anspruchsvoll. Eine der grössten Herausforderungen war das japanische Baurecht – eines der strengsten der Welt, da es Erdbeben-, Tsunami- und Taifun-Sicherheit berücksichtigt. Für europäische Planer war das zunächst ungewohnt und erforderte ein tiefes Einarbeiten in die Normen sowie zahlreiche zusätzliche Berechnungen und Tests.

 

Der Schweizer Pavillon war nicht nur baulich anspruchsvoll, sondern auch logistisch eine Herausforderung. Aufgrund der sehr begrenzten Platzverhältnisse auf dem Expo-Gelände und fehlender Lagerflächen mussten alle Lieferungen punktgenau und bedarfsgerecht koordiniert werden. Jede Anlieferung war genau getaktet, damit der Bauablauf reibungslos verlief. Das machte den Bau zu einem echten Präzisionsprojekt.

 

Der Pavillon nutzt extrem leichte Membranen: Die Hülle jeder Kugel wiegt nur 450 Kilogramm – etwa ein Prozent einer herkömmlichen Gebäudehülle. Die innovative Membran-Struktur besteht innen aus PVC und aussen aus ETFE-Folien – beide Materialien sind vollständig rezyklierbar und modular konstruiert. So erreicht der Pavillon einen minimalen ökologischen Fussabdruck und bietet maximale Flexibilität für Rückbau und Wiederverwendung nach der Expo.

 

Welche Besonderheiten wiesen die weiteren von NÜSSLI gebauten Pavillons auf?



Stefan Sekiguchi: NÜSSLI realisierte in Osaka nebst dem Schweizer Pavillon (Bilder oben) auch jene von Österreich, Usbekistan, Brasilien und Kuwait. Sie alle sind Beispiele hoher Ingenieurskunst und Nationalinszenierung im temporären Kontext.



Kuwait-Pavillon «The Visionary Lighthouse». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling
Kuwait-Pavillon «The Visionary Lighthouse». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling

Aufgrund der Architektur des Kuwait-Pavillons (Bild oben), dessen gigantische freischwebende Dachkonstruktion in Flügelform besonders anspruchsvoll ist, galt es, zusammen mit LAVA und insglück spezifische Vorkehrungen hinsichtlich der Statik zu treffen.


Österreich-Pavillon «Sounds of Austria». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling
Österreich-Pavillon «Sounds of Austria». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling

Der Pavillon von Österreich (Bild oben), in dem unter dem Motto «Composing the Future» die musikalischen Errungenschaften des Landes inszeniert werden, verfügt über eine spektakuläre Notenband-Skulptur aus Holz. Diese wurde in Österreich entwickelt und hergestellt und musste passgenau auf die japanischen regulatorischen Vorgaben abgestimmt werden. Den Pavillon realisierten wir zusammen mit Facts & Fiction und BWM Architekten.

 

Usbekistan-Pavillon «Garden of Knowledge». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling
Usbekistan-Pavillon «Garden of Knowledge». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling

Der von Atelier Brückner entworfene Usbekistan-Pavillon (Bild oben) «Garten des Wissens» setzt auf ein Konzept mit Überraschungseffekt: Der beginnt damit, dass die Besuchenden zunächst den dunklen Ausstellungsraum betreten, der mit reduzierten, weiss beleuchteten 3D-gedruckten Exponaten eine erdige Untergrund-Atmosphäre schafft, symbolisch für den Boden, aus dem Wissen erwächst.


Die Ausstellung führt zu dem zentralen Element: Die geschlossene Show-Plattform mit 360-Grad-Videoprojektion, die die Besucherinnen und Besucher in wechselnde Szenen eintauchen lässt. Während des Films hebt sich diese Bühne unmerklich ins Obergeschoss. Dort öffnen sich die Türen und die Besucher treten ins Freie – in eine stilisierte Baumstruktur, den eigentlichen «Garten». Das Spiel mit Dunkel und Hell sowie die unmerkliche Bewegung der Bühne sorgen für den besonderen Überraschungsmoment. Einen passenden Hersteller für diese bewegliche Plattform zu finden und die technische Bewilligung zu erhalten, war eine besondere Herausforderung. Gemeinsam mit den japanischen Baubehörden musste in einem aufwendigen Prozess die korrekte Norm erarbeitet und freigegeben werden. Dabei stellte sich die Frage, wie der bewegliche Bereich zu klassifizieren ist: als Aufzug, als Bühne oder als Freizeitparkelement.

 


Brasilien-Pavillon «Living Laboratory». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling
Brasilien-Pavillon «Living Laboratory». Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling

Der Auftritt von Brasilien (Bild oben) «Living Laboratory» basierte auf einem von der Expo gestellten Standardgebäude. Durch gezielte Eingriffe wie die massgeschneiderte Glasfassade wurde daraus eine individuelle Länderpräsentation. Unsere Aufgabe war es, zusammen mit NOE Group und LC & Partner den japanischen Bestand mit der geplanten Konstruktion zusammenzubringen.

 

Was können Weltausstellungen, was das Internet nicht kann?

Andy Böckli: Weltausstellungen ermöglichen direkte, immersive Erfahrungen – multisensorisch und physisch erlebbar. Sie fördern persönliche Begegnungen, kulturellen Austausch und reales Staunen, was die Expo-Besucherinnen und -besucher mit Selfies und interaktiven Installationen bestätigten. Dieses physisch erlebbare Moment ist online nicht reproduzierbar.

 

Wie geht es für NÜSSLI weiter, wenn ein Pavillon steht und die Expo eröffnet ist?

Andy Böckli: Nach dem Aufbau beginnen Operations und Maintenance, also die Durchführung und der Unterhalt – ein Pavillon muss ja täglich gewartet werden. NÜSSLI sorgt vor Ort für Funktionstüchtigkeit, Sicherheit und reibungslose Abläufe während der gesamten Expo. Das Projektteam wird entsprechend verkleinert und den verbleibenden Aufgaben angepasst.

 

Stefan Sekiguchi: Operations und Maintenance können so weit gehen wie beim Pavillon von Kuwait, wo NÜSSLI nicht nur den Service, sondern auch den Betrieb gewährleistet – von technischer Instandhaltung bis zur Betriebskoordination mit Hostessen, Gastronomie, Sicherheitspersonal, Logistik, Fahrern, Technikern, Übersetzern, Social-Media-Profis oder Fotografen. Einfach alles, was es braucht, um einen Pavillonbetrieb zu gewährleisten. Für den Kuwait-Pavillon hat NÜSSLI deshalb ungefähr 20 eigene und nochmals 80 Freelancer – insgesamt 100 Leute – im Einsatz. Das ist eine weitere Erfolgsstory von NÜSSLI: Wir werden Teil eines Pavillons.

 

Ebenso unterstützen wir alle Kunden während der Expo aktiv, zum Beispiel im Schweizer Pavillon beim Wechsel der Ausstellung. So stellen wir sicher, dass die Pavillons nicht nur perfekt gebaut sind, sondern auch während der gesamten Laufzeit attraktiv bleiben und reibungslos funktionieren.

 

Und am Ende verantworten wir natürlich auch den Abbau. Usbekistan wird unter anderem einen Teil seines Pavillons an der nächsten Expo wieder einsetzen. Aktuell sprechen wir auch mit den anderen Ländern darüber, wie ihre Pavillons oder ausgewählte Elemente – von Ausstellungsobjekten bis zu architektonischen Bauteilen – nach der Expo umweltfreundlich weitergenutzt werden können, damit sie auch künftig Wirkung entfalten.

 

Soll der Schweizer Pavillon nach der Expo 2025 wiederverwendet und an einem anderen Ort in Japan wieder aufgebaut werden? Wie ist der heutige Stand?


Der beleuchtete Schweizer Pavillon bei Nacht. Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling
Der beleuchtete Schweizer Pavillon bei Nacht. Bild: NÜSSLI Gruppe / Stefan Schilling

Andy Böckli: Viele Teile des Pavillons sind Mietmaterial und werden nach der Expo ausgebaut und wiederverwendet – zum Beispiel Licht-, Ton- und Lüftungsanlagen sowie Spezialeffekte wie die Seifenblasenmaschine. Die Ausstellungselemente aus dem Innovation-Lab waren Leihgaben der beteiligten Firmen und gehen an diese zurück, um erneut eingesetzt zu werden. Zudem gibt es den Wunsch, dass der kunstvolle Scherenschnitt aus der ersten Sphäre nach der Expo einen schönen Platz in der Schweiz erhält – hierzu laufen Gespräche.

 

Die Expo 2025 Osaka ist auch ein Business Case. Google spricht von 18,5 Milliarden Euro an erwarteten direkten wirtschaftlichen Effekten. Wie ist Ihre Erfahrung – was hat die Expo 2025 im Geschäftsbereich ausgelöst?

Andy Böckli: Die Expo 2025 Osaka ist ein Netzwerk zur Darstellung der Leistungsfähigkeit und der Ingenieurskunst eines Landes.

 

Stefan Sekiguchi: Über dieses Netzwerk entstehen dann viele Beziehungen. An den Pavillons sind viele Partnerschaften entstanden – da hat man schon gespürt, dass das Zusammentreffen von japanischen und weltweiten Geschäftsleuten auf den Länderpavillons funktioniert.

 

Andy Böckli: Für NÜSSLI liegt der Schwerpunkt auf der erfolgreichen Realisierung von fünf hochkomplexen Länderpavillons. Die Expo ist für uns ein Schaufenster, um unsere Ingenieurskunst, unser Projektmanagement und unsere internationale Zusammenarbeit sichtbar zu machen – auch für künftige Auftraggeber. Denn die Expo ist unsere beste Visitenkarte für die nächste Expo.

 

Nach der Expo 2025 in Osaka folgen die Expo 2027 in Belgrad und die Expo 2030 in Riad. Wie bereitet sich NÜSSLI darauf vor?

Stefan Sekiguchi: Die ersten Auszeichnungen für die Arbeit von NÜSSLI in Osaka sind bereits da – die Resonanz auf unsere fünf Pavillons ist extrem hoch und wir freuen uns schon auf die nächsten Expo-Projekte. Nach der Expo ist vor der Expo – die Vorbereitungen beginnen bereits Jahre im Voraus. Mein erster Besuch in Osaka war bereits im Sommer 2022, und der finale Abbau wird erst im Februar 2026 abgeschlossen sein. Das zeigt, welch langes Zeitfenster solche Projekte umfassen.

 

Belgrad wird, auch wenn es vergleichsweise eine kleine Expo (Specialized Expo) wird, extrem spannend, weil sich vor allem die Länder aus dem Mittleren Osten hier dem europäischen Publikum darstellen und sich profilieren wollen. Jetzt stellen wir uns bereits für Belgrad und Riad auf.

 


Schulterschluss von RUBA und NÜSSLI

Eher wenig bekannt ist der Umstand, dass NÜSSLI seit der Übernahme des Schreinerei-Unternehmens RUBA zu einem der grössten Kompetenzzentren für Holz-, Metall- und Innenausbau im Thurgau geworden ist. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung übernahm NÜSSLI 2023 die RUBA Objekteinrichtungen AG aus Oberneunforn und holte sie 2024 an den Hauptsitz nach Hüttwilen.


Auf dem NÜSSLI Firmengelände ist heute nun auch RUBA zu Hause – ein Powerhouse mit Schreinerei, Zimmerei und Schlosserei. Die rund 90 Mitarbeitenden realisieren hochwertige Innenausbauten für temporäre Bauten, aber auch für Ladengeschäfte, Hotels, Restaurants und andere Objektbauten. Zu den Kunden zählen namhafte Gastrounternehmen wie Bindella, Kramer und Candrian, das Schweizerische Nationalmuseum sowie internationale Firmen, die ihre Gäste am WEF empfangen.

 
 
 

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