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Wenn Multisensualität fehlt: Chancen und Risiken digitaler Messen

Die Erwartungshaltung an die Animation von Unternehmenspräsentationen ist geprägt von den aufwendigen und kostspieligen, digitalen Erlebniswelten aus professionellen Filmen und Computerspielen. Ergebnisse eines Studierendenprojektes* im Studiengang Bachelor Kommunikations- und Multimediamanagement an der Hochschule Düsseldorf unter Betreuung von Prof. Dr. Regine Kalka.


by Jana Ellwanger und Kim Hünemeier, Hochschule Düsseldorf


Jana Ellwanger, Hochschule Düsseldorf


Durch Matchmaking und Kontaktaufnahme wie die Chatfunktion oder Video-Calls kann der Austausch zwischen Anbieter und Abnehmer digital effizient initiiert und gepflegt werden. Eine Voraussetzung hierfür ist allerdings die Sicherstellung einer hohen Usability, schneller Ladezeiten und einer informativen und technischen Unterstützung seitens der Messeveranstalter, beispielsweise durch «How-To-Do-Videos» oder einen jederzeit zu erreichenden IT-Support. Diese Anforderungen konnten nicht alle der untersuchten Messen vollständig erfüllen.


«Ein positives Merkmal stellen Moderatoren dar,

die digitale Konferenzen anleiten und live auf Fragen

und Anregungen der Besucher eingehen.»


Das Live-Merkmal

Ein positives Merkmal stellen Moderatoren dar, die digitale Konferenzen anleiten und live auf Fragen und Anregungen der Besucher eingehen. Sie unterstützen und fördern die Messekommunikation ebenso wie Benachrichtigungen des Messeveranstalters an die Besucher. Feedbackmöglichkeiten, Live-Umfragen und ein individueller Terminkalender mit Terminerinnerungen optimieren den digitalen Besuch der Messeplattform. Das Anbieten von Video-On-Demand-Inhalten verlängert die Messe zeitlich über den eigentlichen Termin hinaus und kann so die Reichweite der digitalen Veranstaltung erhöhen. Die Untersuchung ergab zudem, dass die intensive Nutzung von Werbe-Tools von Bannern bis hin zu Social-Media-Posts wichtiger Bestandteil der digitalen Veranstaltungsplattformen ist und immer weiter ausgebaut wird.


Kim Hünemeier, Hochschule Düsseldorf


Stärken und Schwächen von Onlinemessen

Unsere Analyse hat sowohl Stärken als auch Schwächen von digitalen Messen herausgearbeitet. Die Zeit- und Ortsunabhängigkeit digitaler Messen reduziert den Zeitaufwand für Besucher und sorgt dafür, dass Messen zugänglicher sind, wodurch niedrigere Einstiegsbarrieren entstehen. Zudem kann Video-On-Demand-Content eine Messe verlängern und macht digitale Inhalte auch nach der Messe zugänglich.


Durch die Nutzung von innovativer Technik («Künstliche Intelligenz») können digitale Messen in einer sehr effizienten Form die Bedürfnisse der Besucher berücksichtigen. Personalisierte Angebote und Vorschläge, fördern die Effizienz und Relevanz des Messebesuchs und bringen gewünschte Kontakte zusammen. Zudem bieten digitale Messen eine vereinfachte Datenerhebung für Aussteller und Veranstalter, wodurch das Teilnehmerverhalten nachvollzogen und die Maßnahmen optimiert werden können.


Vertrauensbildung und Interaktion ist erschwert

Allerdings zeigte die Analyse auch, dass der persönliche Kontakt nur eingeschränkt möglich ist. Anders als auf einer Präsenzveranstaltung findet auf der digitalen Plattform keine Face-to-Face-Kommunikation statt, wodurch Vertrauensbildung und emotionale Interaktion erschwert wird. Durch 3D-Modelle können zwar Messeerlebnisse geschaffen werden, jedoch nicht als multisensuales Messeerlebnis. Produkte können nicht angefasst, Gerüche nicht wahrgenommen oder Lebensmittel nicht degustiert werden.


Aufwendig, aber geringe Wertschöpfung

Zudem sind digitale Messen an aufwendige Technik und technisches Knowhow gebunden. Die größte Herausforderung von digitalen Messen ist jedoch die Refinanzierung für die Messeveranstalter. Der Quadratmeterpreis für einen Messestand bei einer physischen Messe in Deutschland liegt im Durchschnitt zwischen 180 und 200 Euro. Die Erlöse, die mit digitalen Messen durch Aussteller und Besucher generiert werden, sind weit von den Ergebnissen physischer Messen entfernt.


«Über 80 % der Befragten wollen nach der Corona-Pandemie

wieder auf physischen Messen präsent sein.»


Fazit: Erwartet werden neue innovative Konzepte durch die Messeveranstalter

Es ist anzunehmen, dass Messeveranstalter auch zukünftig den Schwerpunkt auf Präsenzveranstaltungen legen werden und den persönlichen Kontakt und das Erlebnis und die multisensuale Markenansprache als Verkaufsargument für die physische Messe nutzen.


Unsere Online-Umfrage, an der 65 Befragte teilnahmen, bestätigen diese Ergebnisse. Sie zeigt, dass sich der überwiegende Anteil der befragten Aussteller und Besucher physische Messen zurückwünschen und über 80 Prozent der Befragten nach der Corona-Pandemie wieder auf physischen Messen präsent sein wollen.


Unsere Umfrage ergab zudem, dass einer der Hauptgründe für einen Messebesuch sowohl für Aussteller als auch für Besucher die persönlichen Kontaktmöglichkeiten sind, welche sich digital nicht ersetzen lassen. Digitale Angebote, die bei den Befragten eine hohe Relevanz aufweisen sind Matchmaking-Möglichkeiten, Chats, Diskussionen und individuelle Organisationstools wie zum Beispiel ein Terminkalender.


Trotzdem ergab die Umfrage, dass die meisten Aussteller und Besucher von einer Veränderung des Mediums Messe in naher Zukunft ausgehen. Es wird eine Verzahnung digitaler und physischer Messen - sogenannte hybride Messen - und eine zunehmende Wichtigkeit von Spezial- und Nischenmessen zu Lasten großer Universalmessen erwartet.


Ein Großteil der Befragten sowohl auf Aussteller- als auch Besucherseite plädiert auch weiterhin für das Kommunikationsinstrument Messe und geht davon aus, dass Messen auch in Zukunft effizient für die Unternehmenskommunikation eingesetzt werden. Man erwartet jedoch neue innovative Konzepte seitens der Messeveranstalter.


Zusammenfassend verdeutlicht unsere Projektarbeit, dass digitale Messen ein erkennbares Potenzial aufweisen, das jedoch aufgrund technischer und organisatorischer Hürden noch nicht voll ausgeschöpft wird. Digitale Messekonzepte sind noch nicht ausgereift. Sie fordern eine stetige technische Weiterentwicklung und neue kreative Lösungen, um erfolgreich zu sein.


Von der punktuellen zur linearen Messemarke

Der persönliche Kontakt und die Erlebnisse, die physische Messen bieten, sind durch eine digitale Messe nicht ersetzbar, aber erweiterbar. Die Verzahnung von digitalen und physischen Messen kann als Vorbereitung zu persönlichen Begegnungen dienen, das Erlebnis erweitern und neue wirtschaftliche Perspektiven für den Messeveranstalter generieren. Digitale Messeangebote können die Touchpoints von Messen erweitern und verlängern. Aus einer punktuellen Messemarke kann dadurch eine lineare Messemarke werden, die die Kunden rund um das Jahr begleitet.




*Methode/Vorgehen

Im Rahmen des Studierendenprojektes Messemanagement im Studiengang Bachelor Kommunikations- und Multimediamanagement im Fachbereich Wirtschaft an der Hochschule Düsseldorf analysierten die StudentInnen Jana Ellwanger und Kim Hünemeier vier internationale Messen, die erstmals ausschließlich digital umgesetzt wurden.


Um die Erfahrungen, Bewertungen, sowie die Zukunftsaussichten digitaler und Präsenzmessen aus Aussteller- und Besuchersicht zu erfassen, führten sie hierzu eine empirische Umfrage durch.


Bei den untersuchten digitalen Messen handelte es sich um die electronica, München (November, 2020), die Hypermotion, Frankfurt (November, 2020), die MEDICA (November, 2020) und die CES-Consumer Electronic Show, Las Vegas (Januar, 2021). Diese Messen bilden eine langjährige Kommunikations-plattform und wurden in der Unter-suchung auf folgende Kriterien überprüft: Inhalte der digitalen Messe, Ausstellerpräsenz, Wissens- und Contentvermittlung, Möglich-keiten zum Matchmaking, Individualisierung des Angebotes, Möglichkeiten der direkten Kommunikation, Organisationstools, Usability und Werbemöglichkeiten.

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