Der Niedergang des Messebaugeschäfts in der Schweiz und der Ausweg in die Live Kommunikation
- Urs Seiler
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Das Messebaugeschäft in der Schweiz sieht sich nicht erst seit Covid mit einem dramatischen Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit konfrontiert, verursacht durch explodierende Kosten, den gesetzlichen Ansprüchen nach nachhaltiger Produktion, aber vor allem wegen einem eigentlichen Messesterben.
von Urs Seiler || 18. August 2025

Bild: Messeplatz und Messegelände in Basel der MCH Group.
Nichts signalisiert den dramatischen Rückgang des Messegeschäfts in der Schweiz deutlicher als der Rückgang der gesamtwirtschaftliche Effekte.
Noch im Jahr 2006 extrapolierte die Studie von Basel Economics BAK, dass aus dem Umsatz der MCH Group von 400 Millionen Franken weiterrechende, indirekte Zusatzeffekte für die Nutzniesser des Messegeschäfts, unter ihnen vor allem die Messebauindustrie würden. Direkte und indirekte wirtschaftliche Effekte beliefen sich dann gemäss der Studie auf knapp unter 4 Milliarden Franken, genau 3,931 Milliarden Franken. Die Zahl von fast vier Milliarden war wohl schon damals etwas hochgegriffen. Aber sie signalisierte eine schweizerische Messewirtschaft auf ihrem Höhepunkt. Aus jedem Umsatzfranken der MCH Group wurden im Jahr 2006 also 10 Franken gesamtwirtschaftliche Effekte.
Nach dem Ende der Weltleitmessen Baselworld und des Internationalen Automobilsalons in Genf, der Aufgabe der bekannten Publikumsmessen Muba in Basel, Züspa in Zürich oder dem Comptoir Suisse in Lausanne und dem Verschwinden von Fachmessen wie der Prodex in Basel spricht die jüngste Wertschöpfungsstudie der MCH Group, die am 30. Oktober 2024 publiziert wurde, gerade noch einmal von 330 Millionen gesamtwirtschaftlicher Effekte, die durch die MCH Group für Dritte wie den Messebau oder den Tourismus generiert, respektive von 4.50 Franken wirtschaftlicher Effekte pro Umsatzfranken der MCH Group.
Die Kennzahlen machen es überdeutlich: Die schweizerische Messewirtschaft und mit ihr das nutzniessende Gewerbe, zuerst der Messebau, befinden sich in einem unübersehbaren Rückgang. Dividiert man die Umwegrentabilität von 2006 von vier Milliarden Franken durch die von 2024 von 330 Millionen Franken, könnte man schliessen, dass der Messebauumsatz sich in der Schweiz, die indirekten Effekte eben, auf ein Zehntel (!) von 2006 reduziert haben.
Die rückläufige Messewirtschaft in der Schweiz hat das Messebaugewerbe so dramatisch erfasst, dass sie sich sich in der schwierigsten Situation seit ihrem kometenhaften Aufstieg in den 90er Jahren befindet. Heute muss man von einer Krise sprechen, wenn sich viele Unternehmen erstmals die Aufgabe ihres Gewerbes überlegen. Das ist eine neue Situation, Messebauunternehmen in der Schweiz sprechen gar von einem «Messesterben», das schon vor Corona eingesetzt hätte.
Dazu kommt, dass die ausstellende Wirtschaft im Hochpreisland Schweiz wegen den exorbitanten Preissteigerungen der letzten Jahre für Messeauftritte auch noch die bestehenden Budgets respektive ihre Standgrössen reduziert. Die grosse Materialschlacht der 90er Jahre sei vorbei, war ein Tenor am Messebautalk vom 8. Mai 2024.
Diversifizierung als Befreiungsschlag: Von «digital» in die Live Kommunikation
Der Inhaber eines alteingesessenen Messebaubetriebs sagte mir schon vor 10 Jahren, ohne seine Niederlassung in Deutschland hätte sein schweizerisches Unternehmen nicht überlebt. Auch am Messebautalk vom 8. Mai 2024 war davon die Rede, dass ein Unternehmen, das nur in der Schweiz tätig ist, vom Messebau allein nicht mehr überleben kann. Anderen Schweizer Messebauern retten Messe-Auftritte im Ausland ihrer schweizerischen Ausstellerkunden, namentlich im Messeland Deutschland, das Geschäft.
Wohin das führt, sagte am Messebautalk niemand deutlicher als der Verwaltungsratspräsident der heute grössten Messebau- und Livekommunikationsgruppe, der Messerli Group, Andreas Messerli: «Wir haben uns als Live Kommunikationsspezialisten positioniert, nicht zuletzt, um Messebudgets abzuholen.» An verschiedenen Messebautalks wurde festgehalten, dass Messebaufirmen dank anderen Eventformen als Messen ihr Unternehmen retten können.
Der schweizerische Trend vom Messebau in die Live Kommunikation wird auch in der jüngsten Event Trend Studie der Swiss LiveCom Association Expo Event (Seite 127) diagnostiziert: «Längerfristig werden Budgets von der klassischen Werbung nicht nur in den Digitalbereich, sondern auch in den Livebereich abwandern,» Die Studie sagt weiter: «Bei Expo Event hat der Anteil an Corporate Events/Mitarbeiterevents stark zugenommen». Er wuchs um 35 Prozent.
Internationalisierung als Chance
Neben der Diversifizierung in LIve Kommunikation ist Internationalisierung ein Ausweg aus dem schrumpfenden Schweizer Markt ist, auch für traditionelle Klein- und Mittelunternehmen. Sie scheint immer mehr zu einem Ausweg aus dem in der Schweiz rückläufigen Messegeschäft zu werden.
Die Event Trend Studie zitiert dazu: «Der Grossteil der Expo Event Befragten hatten im Jahr 2022 einen Umsatz von über zwei Millionen Franken. Die Hälfte des Umsatzes wurde im Ausland realisiert.
Internationalisierung sieht die Event Trend Studie unter anderem auch als Lösung in der Personalsuche: «Expo Event Mitglieder holen sich Unterstützung aus dem Ausland im Bereich Transport und Personal/Freelance - zwei Bereiche, die stark zugelegt haben» steht hier.
Die Umfrage «European Industry Survey 2025» der livecom alliance zitiert, dass 24 Prozent des Umsatzes von international tätigen Unternehmen von ausserhalb Europa kommt und dass solche Unternehmen ein stärkeres Wachstum von Kundenbudgets erwarten als Firmen, die ausschliesslich im Inland tätig sind. Allerdings räumt die Studie ein, dass der Weg in die Internationalisierung nicht ohne Hindernisse ist. Und der starke Schweizer Franken ist eine zusätzliche Hürde für einen Einstieg ins internationale Geschäft.
Fazit
Der Rückgang der schweizerischen Messewirtschaft ist ein nationales Phänomen und hat nichts mit dem Medium Messe zu tun.
Ein Vergleich mit dem führenden Messeland Deutschland mit seinen Leitmessen, die nach Covid praktisch allesamt auf ein Rekordniveau zurückgekehrt sind, beweist das.
Vielmehr sind es in der Schweiz spezifische Faktoren, die zum geschilderten Rückgang geführt haben wie Preissteigerungen, vor allem aber der Untergang von vielen grossen Messen.
Das aber hat wiederum mit der Kleinheit der nationalen Wirtschaft, im Vergleich mit anderen Ländern, zu tun hat.
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