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m2-Preis nach Ökofußabdruck auf der Light + Building? «Wir haben unsere Verantwortung verstanden»

«Wir fänden es sehr positiv, wenn die Messegesellschaften darüber nachdenken, den Mietpreis pro Quadratmeter mit der Nachhaltigkeit eines Messestandes in Verbindung zu bringen», sagt Schneider Electric. Hier kommen die Argumente.


by Christine Beck-Sablonski (Bild), Daniel Shafi, Schneider Electric* |



Auf der Light + Building anfangs Oktober 2022 trat Schneider Electric mit einem klimaneutralen Großstand auf. Wie ist das bei Ihren Kunden angekommen?

Schneider Electric ist seit vielen Jahren massiv auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Deshalb war es enorm wichtig, dass unser Auftritt auf der Light + Building in Frankfurt als erster klimaneutraler Stand und Startschuss für weitere Messen überzeugte. Die Kommentare waren extrem positiv bei unseren Kunden, beim Wettbewerb, der uns fragte, wie wir dahin gelangt sind, und in der Presse. Wir sind aufgefallen, es gab durchwegs Begeisterung. Wir wurden sogar noch im November auf der SPS Messe in Nürnberg, auf der wir ein ähnliches Konzept präsentiert haben, darauf angesprochen!



Woher kommt dieses starke Bestreben von Schneider Electric, Nachhaltigkeit wirklich so granular zu betrachten?

Schneider Electric ist in vielen Bereichen ein sogenannter Early Adopter. So haben wir bereits vor 15 Jahren unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Damit dürften wir das erste große Unternehmen weltweit gewesen sein. Unsere Ziele waren und sind anspruchsvoll.


So wollen wir bis 2030 die CO2-Emissionen in unserer Geschäftstätigkeit, also Scope 1&2, auf Null fahren, das heißt «Net Zero» erreichen. Und bis 2050 geht es darum eine komplett CO2-neutrale Wertschöpfungskette, also zusätzlich Scope 3 zu verwirklichen. In beiden Fällen spielen dann Kompensationen, beispielsweise über Zertifikate, keine Rolle mehr.


In Scope 3 liegt dabei die eigentliche Herausforderung, das wird einem bei Betrachtung der Verhältnismäßigkeit bewusst. Bezieht man nämlich das komplette Ecosystem, also Kunden und Lieferanten von Schneider mit ein, macht der gesamte CO2-Ausstoß von Schneider Electric selbst, mit den weltweit 300 Fertigungs- und Distributionsstätten und ca. 135.000 Mitarbeitern, nur 1% aus.


Wir haben unseren Auftrag, unsere Verantwortung, verstanden und werden dafür auch belohnt. In 2021 wurden wir im Rahmen des Davos Gipfels World Economic Forum von Corporate Knights zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt erklärt. Das bedeutet uns viel und motiviert uns für die nächsten Schritte. Stillstand ist für uns keine Option.



Wie gelangt man zu einem klimaneutralen Messestand?

Zunächst geht es darum, möglichst innovativ und holistisch alle Möglichkeiten zu erfassen. Zu einem so ambitionierten Projekt gehören beispielsweise auch die Mitarbeitenden, also unser Standpersonal. Wir sind größtmöglich mit der Bahn zur Messe gereist oder in einem Bus. Das war zwar noch ein dieselbetriebenes Fahrzeug, der CO2-Ausstoß wurde aber über Zertifikate kompensiert. Zudem hat das Busunternehmen sich dazu bereit erklärt, in Zusammenarbeit mit einer NGO einige Bäume zu pflanzen. In Zukunft wollen wir bei Transporten ganz auf Elektromobilität umschwenken. Der Einsatz von Echtholz am Stand, von Mietmöbeln, rezyklierbaren Böden oder die Wiederverwendbarkeit der Wände aus Paletten, das waren alles Dinge, die unsere Messe-BesucherInnen begeisterten. Wir haben auch unsere aus rezyklierten PET-Flaschen hergestellten Banner am Stand wiederverwertet. Daraus werden jetzt Taschen.


Mit diesen Maßnahmen hat Schneider Electric seinen ökologischen Fußabdruck im Vergleich zur letzten physischen Messepräsenz auf der Light & Building von 300 Tonnen – dieses entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch eines 1.700qm großen Messestandes ­– real auf 80 Tonnen reduziert. Die verbleibende Belastung wurde auf Basis von CO2-Zertifikaten bezüglich eines Umweltprojektes mit der Initiative Myclimate in Madagaskar kompensiert. Die zukünftige Motivation ist dabei klar, nämlich die verbleibende Belastung immer weiter gegen Null zu fahren.


Was beschäftigt Sie zur klimaneutralen Messe am meisten und lässt Sie nicht schlafen?

Die Aufgabenstellung verschwindet natürlich nicht, sie bleibt in unserem Unternehmen erhalten. Jetzt ist noch mehr Kreativität gefragt, nämlich in der Fragestellung, wie wir die verbleibenden 80 Tonnen CO2 auch noch vermeiden können, anstatt sie nur zu kompensieren. Unser Ziel besteht darin, auf einem Großstand wie auf der Light + Building noch nachhaltiger und schließlich klimaneutral zu werden.


Auch beim Thema Klimaneutralität gilt: Nach der Messe ist vor der Messe. Wir werden jetzt nicht einfach aufhören. Wir haben bereits einen weiteren Ansatz: Für die nächste Light + Building suchen wir ein klimafreundliches Hotel, mitten in Frankfurt, um gleich auch die Transporte unseres Standpersonals zur Messe zu eliminieren. Tatsächlich sind wir auf ein Hotel gestoßen, das das Ziel «Klimaneutralität» unterstützt. Wir bleiben da kreativ. Wo es um Messepräsenzen oder Events geht, werden noch einige Bausteine dazu kommen.


Der Weltmesseverband UFI möchte bis im 2050 Klimaneutralität, der deutsche AUMA bis im 2040? Wie beurteilen Sie diese Ziele? Und wie kommen wir dahin?

Messeveranstalter arbeiten ja zu einem großen Teil schon mit erneuerbarer Energie und leisten ihren Beitrag zur klimaneutralen Messe. Auch die früher teilweise überhitzten Messehallen gehören heute der Vergangenheit an. Oder die Benutzung des Öffentlichen Verkehrs, die ist an vielen Messeplätzen kostenlos.


Eine echte Hebelwirkung der Messeveranstalter wird jedoch im Umgang mit ihren Ausstellern liegen. Wir fänden es sehr positiv, wenn die Messegesellschaften darüber nachdenken, den Mietpreis pro Quadratmeter mit der Nachhaltigkeit eines Messestandes in Verbindung zu bringen. Dies wäre ein Ansporn für Aussteller, noch kreativer zu sein.


Wie verlief die Light + Building in Frankfurt und die SPS in Nürnberg für Schneider Electric Deutschland und die Schweiz?

Wir waren sehr, sehr zufrieden mit dem Ergebnis beider Messen in Bezug auf die Zahl der BesucherInnen, aber auch auf die Qualität der gemachten Kontakte. Deshalb halten wir auch an unseren Präsenzmessen fest, weil sie elementarer Bestandteil auf dem Weg zu unseren Kunden sind. Die Messe und die dort präsentierten Innovationen sind ein wichtiges Instrument dafür, Bedürfnisse bei MessebesucherInnen zu wecken.


Ein weiterer, weicher Aspekt, den ich hinzufügen möchte: Messen sind die einzige Möglichkeit, Stimmungen zu erfahren. Sie kommen auf einer solchen Veranstaltung ganz anders, eben emotionaler und vielschichtiger rüber, als das online möglich wäre. Dieser Informationsfluss - was denkt die Presse, wie verhält sich der Wettbewerb, was sagen unsere Kunden – die Intensität dieses Erlebnisses ist digital nicht abbildbar.


Schneider Electric war aber auch, was die quantitative Messbarkeit betrifft, auf der Light + Building und der SPS erfolgreich. Auf der SPS empfingen wir eine BesucherInnenzahl, die dem Vor-Corona-Niveau entsprach. Das kam für uns überraschend, weil wir bloß mit einem 60 Prozent-Wert gerechnet hatten!


Da spielte mit Gewissheit ein Post-Covid-Effekt, dass man sich endlich wieder persönlich treffen konnte, eine Rolle. Der Rest, ob BesucherInnen in der früheren Zahl wieder auf Messen zurückkehren, hängt unserer Ansicht nach aber nicht am Medium Messe, sondern maßgeblich daran, wie sich die Wirtschaft im Jahr 2023 entwickeln wird. Da werden zum Beispiel auch Themen wie das Reisebudget für MessebesucherInnen eine Rolle spielen.


Wie wichtig sind Messen in Zukunft für das Marketing von Schneider Electric?

Messen werden generell in unserem Fokus der Customer Journey unserer Kunden bleiben. Schneider Electric hatte während der Pandemie zwar erfahren, dass Onlineveranstaltungen einen riesigen Zuspruch hatten. Aber der geht heute, wo persönliche Treffen auf Messen wieder möglich sind, auch wieder entsprechend zurück.


Onlineveranstaltungen sind überall da nützlich, wo es um Wissensvermittlung geht. Und sie reduzieren natürlich auch den CO2-Ausstoß. Aber ein Messebesuch macht eben Sinn, weil hier eine unerreichte Vielfalt im Verfolgen von Zielen und letztlich im Treffen von Entscheidungen besteht.


Die Frage, die sich stellt, ist eher die Anzahl Messen, an denen man als Aussteller oder BesucherIn teilnehmen will. Leitmessen wie eine Light + Building oder eine SPS werden auch in Zukunft gesetzt sein. Andere Messen werden in Zukunft möglicherweise stärker hinterfragt, gerade vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit.


Vor diesem Hintergrund muss man sich nämlich fragen, ob es sinnvoll ist, CO2 zu produzieren, wenn man gar nicht die richtigen Zielgruppen in der richtigen Menge erreicht? Hier wird es automatisch zu einer Zäsur kommen, weil sich die Unternehmen nicht zuletzt aus finanziellen Gründen überlegen, wen man noch als BesucherIn auf Messen schicken will.



Wie machen Sie Ihren Messe-Erfolg messbar?

Unseren Messe-Erfolg bemessen wir sowohl nach der Anzahl der MessebesucherInnen an unserem Stand also auch nach sogenannt «weichen» Faktoren wie deren effektive Kaufabsicht.


Für Schneider Electric ist es immer auch ein entscheidendes Kriterium, ob wir auf der Messe, neben dem Besuch von Bestandskunden, auch neue Kontakte etablieren. Beide Parameter sind für unsere Wachstumsziele von Bedeutung.


* Christine Beck-Sablonski ist Vice President Marketing Kommunikation Schneider Electric, D,A,CH-Länder.


Daniel Shafi ist Head of Experience Marketing Schneider Electric, D,A,CH-Länder. Verantwortlich für bis zu 300 Veranstaltungen.


Interview: Urs Seiler




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