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Vor dem Xaver-Award am 9. September: «Mit Live-Kommunikation Erlebnisse schaffen, die online kaum reproduzierbar sind»

Die Messerli Group spürt den Rückgang des klassischen Messebaugeschäfts in der Schweiz. Aber sie hat rechtzeitig ein breites Dienstleistungsangebot mit verschiedensten Live-Experience-Disziplinen aufgebaut. CEO Daniel Wyss spricht im smartville digital-Interview offen zu den Herausforderungen am Messeplatz Schweiz.

 

von Daniel Wyss || 2. September 2025

 

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Daniel Wyss, was beschäftigt Dich zur schweizerischen Messe- und Eventwirtschaft aus Sicht der Andreas Messerli AG am meisten? Welchen Einfluss nimmst Du als CEO auf das Tagesgeschäft?

Unser Business ist und bleibt herausfordernd, aber das für uns erneut starke Herbstgeschäft, in welchem wir uns aktuell befinden, trägt massgeblich zu einer guten Stimmung bei! Ich sehe mich als grenzenloser Optimist und daher bin ich meist sehr positiv gestimmt und sehe viele Chancen für unsere Branche. Da ich nach wie vor auch den Verkauf verantworte, bin ich sehr intensiv ins Tagesgeschäft eingebunden. Aktuell beschäftigt mich vor allem die Nachfolgeregelung in den verschiedensten Abteilungen, damit wir uns für die Zukunft weiterhin richtig rüsten und aufstellen können.


Wie geht es der Andreas Messerli AG, wie hat sie die Nach-Covid-Phase gemeistert?

Uns geht es gut und wir sind sehr zufrieden, wie sich das Geschäft nach Covid entwickelt hat. Am Anfang war der Nachholbedarf an Live-Erlebnissen gross, was unsere Branche ressourcentechnisch an ihre Grenzen gebracht hat. Mittlerweile hat sich das wieder eingependelt und wir sind jetzt praktisch auf Vor-Covid-Niveau ausgelastet. Das freut und bestärkt uns, dass unsere Strategie als breiter Live Kommunikations-Anbieter gut aufgegangen ist. Wir sind heute nicht mehr nur der klassische Messebauer, sondern decken mit Events, Brand Spaces wie auch Digital Experience sämtliche Disziplinen der dreidimensionalen und digitalen Markenerlebniskette ab. Das hat uns und unseren Kunden unheimlich geholfen, schnell wieder Tritt zu fassen.


 

Die Messebaubranche in der Schweiz ist stark rückläufig, weil das Messegeschäft rückläufig ist, wie wir das in der smartville digital Coverstory vom 18. August beschrieben haben. Wie beurteilst Du die Messebausituation in der Schweiz und ist sie irreversibel und weshalb?

Wir spüren den Messerückgang in der Schweiz auch und das trifft und schmerzt uns, ganz klar. Schliesslich ist das «Messe-Gen» tief in unserer DNA verankert und wir sind überzeugt, dass die Schweiz und ihre Unternehmen eine starke Messelandschaft brauchen.

 

Auf der anderen Seite glauben wir, dass sich die Formate und Inhalte von Liveanlässen an die heutigen Bedürfnisse anpassen müssen. Eine Messe muss heute mehr leisten als früher, damit sie relevant bleibt und sich für eine Community zur Erlebnisplattform entwickeln kann, die weit über die Messedauer hinausgeht. Die heutige Generation möchte an einem Messebesuch mehr erleben, sich vernetzen und etwas lernen.

 

Wir stellen dabei fest, dass die Auftritte von Ausstellern heute tendenziell kleiner ausfallen, dafür interaktiver und digitaler, insgesamt cleverer. Für unsere Branche heisst das, dass wir unsere Kunden ganzheitlicher betreuen und das Erlebnis in den Vordergrund stellen müssen. Uns helfen dabei unser breites Dienstleistungsangebot sowie die Möglichkeit auf die verschiedensten Live-Experience-Disziplinen des Messerli-Group-Netzwerkes zurückgreifen zu können.

 

Wie geht eure Muttergesellschaft, die Messerli Group, die grösste Live Kommunikations-Gruppe in der Schweiz, mit dem rückläufigen Messebaugeschäft um?

Ein grosser Vorteil der Gruppenstruktur der Messerli Group ist sicherlich, dass wir damit breiter abgestützt sind und Live-Marketing in allen Ausprägungen anbieten können. Das heisst, dass wir aus Gruppensicht nicht mehr so stark von Messen abhängig sind.

 

Die Gruppenstrategie zielt darauf ab, unsere Kunden ins Zentrum zu stellen und mit ihnen die richtigen und erfolgreichen Live-Marketing-Massnahmen zu entwickeln. Das geht heute viel weiter als ein Messeauftritt. Mit unseren Schwestergesellschaften realisieren wir heute Projekte, welche sämtliche Touchpoints der Customer Journey abdecken und den Markenauftritt stringent sicherstellen. Besonders gut gelingt uns das bei der Betreuung von Grossunternehmen, wo wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Marketing-Teams auf Kundenseite pflegen. Unsere Corporate Service-Abteilung stellt dabei sicher, dass der Roll-out sämtlicher Massnahmen und Anlässe termingerecht und in der richtigen Qualität über die Bühne geht.


Damit dies gelingt, sind nicht nur strategische und konzeptionelle Fähigkeiten nötig, sondern auch logistische. Der Bau unseres Logistikcenters in Wil (ZH) war die logische Konsequenz, um die komplexe Marketing-Logistik unserer zahlreichen Kunden in diesem Bereich auf Dauer sicherzustellen.


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Das Logistikcenter der Andreas Messerli AG in Wil, ZH

 

Wenn Messen rückläufig sind, wie in der Schweiz, taucht regelmässig der Ruf nach Festivalisierung von Messen auf mit dem Beispiel der Online Marketing Rockstar OMR in Hamburg mit einem Mix von Communitybildung, Wissenstransfer, Fachmesse, Event und Party. Das Thema Festivalisierung ist ebenso trendig als auch umstritten. Inwieweit könnte es Schweizer Fachmessen aus ihrer Paralisierung retten? Haben wir in der Schweiz entsprechende, mutige Veranstalter? Welche vergleichbaren Anlässe gibt es in der Schweiz? Was braucht die Schweiz?

Ja, ich denke, das kann, wie vorhin bereits angetönt, ein guter Ansatz sein, um Messen attraktiver zu machen. Unser CMO bei Messerli, Juri Camagni hat die OMR dieses Jahr besucht und uns begeistert über seine Erlebnisse und Take-outs erzählt. Sein Fazit: Ein ausgezeichnet organisierter Event, der sehr kurzweilig, erlebnis- und lehrreich war und alle Komponenten eines Business-Festivals auf professionelle Weise vereint. Dabei muss man erwähnen, dass die Entwicklung des OMR-Festivals zur heutigen Grösse und Qualität nicht von heute auf morgen passierte, sondern bereits 2011 seinen Anfang hatte. Es zeigt aber auf, welches Potential ein Anlass entwickeln kann, wenn alle Komponenten stimmen und er sich zum Community-Hotspot entwickelt. In diesem Sinn: Chapeau OMR!

 

In der Schweiz gibt es vereinzelt auch solche Formate, die erfolgreich sind und grossen Zulauf haben. Die Men’s World in Zürich oder das HEROFest in Bern sind sicherlich gute Beispiele dafür. Solche Konzepte bedeuten für den Veranstalter eine starke Auseinandersetzung mit der jeweiligen Community und den Mut, neue Wege zu gehen, sowohl inhaltlich als auch formal. Aber auch die Unternehmen der ausstellenden Wirtschaft müssen die Bereitschaft haben, solche Formate auszuprobieren und mittelfristig mitzutragen und zu entwickeln. Wir sind sicher, dass da in Zukunft in diese Richtung noch einiges gehen wird.

 

Die Messerli Group hat zum Xaver-Award vom 9. September insgesamt 5 Projekte eingereicht, 2 durch die Andreas Messerli AG, eines durch Furrer Events und zwei durch das Live Lab. Was ist der Hintergrund dieser Rekordbeteiligung?

Vielleicht war das letzte Jahr einfach ein gutes Jahr! Oder wir haben es noch mit Ausläufern und Nachholbedarf nach der Pandemie zu tun… Nein, es zeigt wohl auf, wie dynamisch sich die Messerli Group im Markt bewegt und wie dabei für unsere Kunden gute Projekte entstehen. Das freut mich und alle Geschäftsführenden der Messerli-Group-Gesellschaften natürlich sehr. Aber am besten machen sich die smartville digital-Leser*innen selbst ein Bild davon und besuchen die Webseite des Xaver-Awards.


Du warst selbst jahrelang im Vorstand der Swiss LiveCom Association Expo Event, der den Xaver-Award ausrichtet. Wie wichtig ist der Xaver-Award vom 9. September für die schweizerische Messe- und Eventwirtschaft?

Ich bin fest davon überzeugt, dass der XAVER Award für unser Branche ein sehr wichtiger Anlass ist. Er verleiht einer ganzen Industrie Visibilität und Identität und lässt die ganze Branche zusammenkommen. Weil dem so ist, unterstützen wir den Anlass und sponsoren gerne den Public XAVER Award: hier wird das Projekt prämiert, welches das Publikum am besten überzeugt hat. Das gefällt uns, da dieser Preis somit direkt auf Herz und Emotionen zielt. An dieser Stelle möchte ich dem Organisationskomitee und allen Helfer*innen des XAVER ein herzliches Dankeschön aussprechen!

 

Lass uns auf einige XAVER-Projekte eingehen: Die Andreas Messerli AG hat in der Kategorie Best Expo Projekt mit «Zeitliche Hommage an die Ewigkeit» und dem Projekt «Saubere Luft nachhaltig inszeniert.» in der Kategorie Best Exhibition Stand zwei Projekte eingereicht. Was leistet die neue Xaver-Kategorie «Messebau» für den Award und die Messebranche und für Messerli?

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Die IWC-Projekteinreichung am Xaver-Award 2025 der Andreas Messerli AG.


Wir haben bewusst zwei ganz verschiedene Projekte eingereicht, um die Bandbreite unseres Schaffens bei Messerli aufzuzeigen. Beim IWC-Projekt zeigen wir auf, wie wir in Zusammenarbeit mit dem Kunden und den besten Handwerker*innen unseres Landes einen Messestand realisieren, der an der Uhren- und Schmuckmesse Watches and Wonders in Genf für Aufsehen sorgte. Ein ausserordentliches Projekt, wo Perfektion und Eleganz in Symbiose mit den Markenwerten einer der renommiertesten Uhrenmanufakturen der Welt besonders in Erscheinung getreten sind.

 

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Die Unifil-Projekteinreichung am Xaver-Award 2025 der Andreas Messerli AG.


Bei Unifil hingegen ist es uns gelungen, ein attraktives Messekonzept so modular und skalierbar zu machen, dass es wiederverwendbar und dadurch sehr nachhaltig und seit 2016 im Einsatz ist.

 

Die neue Kategorie «Best Exhibition Stand» bringt der Messebaubranche deutlich mehr Sichtbarkeit, und das ist unserer Meinung nach sehr wichtig. Auch weil in den vergangenen Jahren die Projekteinreichungen im Bereich Event stark zugenommen haben. Durch diese zusätzliche Kategorie ist zudem die Trennschärfe zu grossen Expo-Projekten gegeben, und so können hier wieder vermehrt klassische Messebauprojekte eingereicht und prämiert werden. Das hat die XAVER-Jury richtig erkannt und mit der Schaffung der neuen Kategorie entsprechend korrigiert. Jetzt ist die Messebaubranche aber am Drücker und ich hoffe innigst, dass wir in Zukunft wieder vermehrt kreative Projekte von meinen Messebau-Kollegen und -Kolleginnen sehen werden.


An sechs Orten in der Schweiz stieg ein eigens komponierter Duft auf und brachte im Rahmen des Projekts «Schmerzh - Erinnerungen verduften nicht» der Messerli-Tochter Live Lab «vergangenen Schmerz an die Oberfläche», wie die Projektbeschreibung sagt. Was kann Live Kommunikation, was online nicht funktioniert?

Live-Kommunikation kann Erfahrungen schaffen, die online kaum reproduzierbar sind. Sie spricht mehrere Sinne gleichzeitig an, erzeugt emotionale Intensität und ermöglicht ein unmittelbares, gemeinsames Erleben. Gerade bei Erinnerungen oder beim Erleben von Schmerz wird deutlich, dass Nähe, Atmosphäre und multisensorische Eindrücke live viel besser vermittelt werden können. In diesem Fall, wo der Duft ein zentrales Element des Projektes war, wäre es anders gar nicht möglich gewesen. Schön, dass solche Projekte wieder möglich sind und unsere Branche nach der Pandemie wieder aus dem Vollen schöpfen kann!

 

Welches Xaver-Projekt ist Dein Lieblingsprojekt, für das Du am Onlinevoting stimmst?


Meine Stimmen gehen natürlich an unsere beiden eingereichten Projekte in den Kategorien Best Expo Projekt und Best Exhibition Stand, weil ich weiss, wieviel Leidenschaft und Herz meine Mitarbeitenden dafür aufgebracht haben. Da am Public Voting mehrere Stimmen abgegeben werden können, habe ich auch noch für die Eröffnungsfeier der neuen Festhalle Bern gestimmt, welcher ich selbst beiwohnen durfte! Ich fand den Rahmen absolut gelungen und auch dass mit guten Schweizer Werten gepunktet wurde und nicht mit irgendeinem internationalen Main-Act! Die Jodlerin Miss Helvetia hat mich durch ihre Authentizität effektiv zu Tränen gerührt und auch sonst war das Ganze überaus stimmig inszeniert.

 

Im Magazin der London Times gibt es eine herzerwärmende Rubrik mit dem Titel «What I have learnt». Du bist seit 1996 in der schweizerischen Messe- und Livekommunikationswirtschaft tätig. Was hast Du gelernt, was ist Dein bleibendster emotionaler Eindruck?

Ich lerne jeden Tag dazu – denn Stillstand ist bekanntlich Rückschritt.

 

Emotional lassen mich die Erinnerungen an meine zwei wichtigsten Wegbegleiter werden, welche uns leider beide viel zu früh verlassen haben. Willy Gyger, der frühere Inhaber der Wigra Gruppe, hat mir die Chance gegeben in der für mich dazumal weitgehend unbekannten Live-Kommunikationsbranche Fuss zu fassen. Hugo Keller, der ehemalige Managing Director von Messerli und CFO der Messerli Group, hat es mir ermöglicht den nächsten Schritt zu machen. Das waren die zwei wichtigsten Mentoren in meiner Laufbahn, von welchen ich sehr viel lernen durfte!


Interview: Urs Seiler

 

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