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Messe Frankfurt: 400 Millionen Euro für Verkauf von Tafelsilber!

Die Messe Frankfurt macht im «Nicht-Messe-Jahr 2021» (CEO Wolfgang Marzin) einen Konzernverlust von 139 Millionen Euro. Der Verkauf einer Immobilie soll für dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung verwendet werden.





Das Messejahr 2021 war für die Messe Frankfurt noch katastrophaler als das vorangehende 2020 – wenn man dafür nur die finanziellen Kennzahlen als Maßstab gelten lässt.


Wegen der fehlenden Frühjahrsveranstaltungen liegt der Umsatz im Geschäftsjahr 2021 mit 154 Millionen Euro noch tiefer als im 2020 mit 257 Millionen. Das verursacht wie eingangs erwähnt einen Konzernverlust von 139 Millionen Euro. Man erinnere sich: noch im 2019 erwirtschaftete man einen Rekordumsatz von 736 Millionen Euro.



«Wir haben viel versucht, aber so richtig kompensieren konnten wir die Covid-Pandemie natürlich nicht» sagte CEO Wolfgang Marzin (Bild) an der Unternehmenspressekonferenz zum Geschäftsjahr 2021 am 28. Juni in Frankfurt.


Pandemie genutzt

Die Messe Frankfurt ist allerdings nicht stehen geblieben und hat die Pandemiejahre in gewissem Sinne «antizyklisch» genutzt.


Die geplante Halle 5 kann – dank unbeeinträchtigten Bauen während Covid – früher als erwartet, nämlich schon im 2022, fertig gestellt werden. Anfang Februar 2023 wird sie bereits für die Frühjahrmessen genutzt.


Die Messe Frankfurt hat während der Pandemie sogar antizyklisch operiert und ist in den wichtigen künftigen Messemärkten USA und Brasilien Joint-Ventures eingegangen.


Nachdem die Messe Frankfurt bereits im Mai 2020 die Durchführung der Veranstaltung übernommen hatte, wurde mit dem amerikanischen Industrieverband Food Processing Suppliers Association FPSA in einem Joint Venture die Weiterentwicklung der Process Expo, eine der größten Fachmessen für die Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung sowie Verpackungsindustrie in den USA, vorangetrieben.


Wir haben an dieser Stelle schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Messe Frankfurt trotz hohen Konzernverlusten (121.9 Millionen Euro im Jahr 2020, 139 Millionen im Jahr 2021) keine Entlassungen getätigt hat. Das war möglich, weil die Mitarbeitenden auf 7 Prozent ihres Salärs zugunsten der Sicherung des Arbeitsplatzes verzichtet hatten.


Optimismus für 2022 und 2023

Das Messefrühjahr 2022 in Frankfurt hat es nahegelegt und die Messe-Aussichten beweisen es: die Wirtschaft braucht jetzt wieder Messen.


Die Leitmessen Prolight + Sound, IFFA (Fleischproduktion) hatten zwar weniger Aussteller und (covidbedingt) BesucherInnen, waren aber durchwegs hoch erfolgreich für ihre jeweiligen Industrien. Zur Heimtextil Summer Special mit Techtextil und Texprocess kamen 2'300 Ausstellern aus 63 Ländern. Die Parallelmessen Techtextil und Texprocess hatten sogar mehr Austeller als vor Covid!



Und jetzt steht ein geballter Messeherbst mit weiteren Leitmessen wie der erstmals in Frankfurt geführten Eurobike, die zur Mobilitäts- und Verkehrsplanungsmesse ausgebaut wird. Der für sie Verantwortliche, Geschäftsleitungsmitglied Udo Behm (Bild), sagte: «Die Eurobike kommt mit einem großen Aufschlag nach Frankfurt.» Er meinte damit auf die Messe zurückkehrende Aussteller und eben die Erweiterung in eine umfassende Mobilitätsmesse sowie die Erweiterung in die Stadt Frankfurt.



Im September 2022 findet dann die Weltleitmesse Automechanika, die weltweit größte Messe mit Klonen in 14 Ländern auf 4 Kontinenten und rund 6'000 Ausstellern (!) weltweit statt. Sie findet im 2022 mit neuen Veranstaltungen rund um den Globus statt.



Wem nicht klar war, ob die Zusammenfassung der Konsumgütershows Ambiente, Christmasworld und Creativeworld im Frühjahr 2023 eher ein Superevent oder eine reduzierte Gesamtshow wird, dem gab Geschäftsleitungsmitglied Detlef Braun (Bild) Entwarung: «Mit dieser strategischen Neuorientierung schaffen wir für die globale Konsumgüter-Ordersaison einen One-Stop-Shop. Es besteht eine enorme Nachfrage. Für uns wird dieser Relaunch auf jeden Fall erfolgreich sein.»



Im zweiten Semester 2022 finden einige ganz große Gastmessen wie die weltberühmte Buchmesse, Chemspec II Europe, Parcel & Post Expo, die Enlit Europe und CPhl worldwide oder die Achema statt.


Dass die Wirtschaft wieder Messen will – wen wundert es, Digitalität ist ja als Messeersatz gescheitert, CEO Wolfgang Marzin sagte, er bewerte den Begriff der «digitalen Messen» als unzulässigen Begriff – geht übrigens auch aus einer Kundenbefragung der Messe Frankfurt hervor. 97 Prozent der Unternehmen bestätigten, dass sie weiterhin an Messen in Frankfurt teilnehmen wollen. 67 Prozent wünschten sich reine Präsenzveranstaltungen. An der Umfrage haben sich 59'000 Firmen beteiligt.


Angesichts der erfolgreichen Frühjahrsmessen 2022 in Frankfurt und den guten Aussichten für den Rest des Jahres («wenn man uns denn lässt» sagte Wolfgang Marzin und meinte damit eine drohende neue Pandemiewelle) sagte er: «Die Renaissance der Messewirtschaft hat im Jahr 2022 begonnen. Es ist toll, wieder ein Teil des wirtschaftlichen Kreislaufs zu sein.»


Aufgrund dieser Aussichten prognostiziert die Messe Frankfurt für das Geschäftsjahr ein Anwachsen des Umsatzes auf 400 Millionen Euro. Dass das gelingt, müssen Investitionen getätigt werden – und diese wiederum vom Verkauf einer Immobilie oder weiterer Immobilien (siehe weiter unten) abhängen.


Ob diese Zahl erreicht wird, hängt wie gesagt auch vom weiteren Pandemieverlauf ab. Und vom bedeutenden chinesischen Markt. In den besten Jahren (2019) hat die Messe Frankfurt Asia 177 Millionen Euro zum Rekordumsatz von 736 Millionen Euro beigetragen.


Nachhaltig

Das Kap Europa am Messeplatz Frankfurt ist nach strengen nachhaltiger Bauweise erstellt – und von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.


Die Messe Frankfurt verfolgt einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz und betreibt ein aktives Energiemanagement. Die Messe Frankfurt wird zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt. Die Wiederverwertungsquote von Abfällen,die auf dem Messezentrum anfallen, liegt bei über 90 Prozent. Es ist das Ziel der Messe Frankfurt, Gewinne sozial und umweltverträglich zu erwirtschaften.


A propos Umwelt: Messegelände sind sichere Standorte. Gemäß einer Studie der RWTH Aachen ist die Raumluft in den Frankfurter Messehallen ohne erkennbare Anreicherung, das heißt hat praktisch Freigeländequalität.


Zum Verkauf des «Tafelsilbers»

Wie Geschäftsleitungsmitglied Uwe Behm darlegte, hat die Messe Frankfurt im 2022 ein Grundstück im Europaviertel verkauft. Der Erlös soll jetzt helfen, dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur (Halle 5!) und in digitale Technologien, «auch dafür brauchen wir Geld», sagte er, vorzunehmen.


Auf das Nachfragen eines Journalisten, ob diese Veräußerung gewissermaßen den Auftakt für weitere Verkäufe darstelle, erklärte Udo Behm, dass unter den Gesellschaftern der Messe Frankfurt, angesichts der riesigen Konzernverluste in den Pandemiejahren, Optionen diskutiert würden «Tafelsilber zu verkaufen» (Originalton). Weitere Gelände-Veräußerungen könnten also durchaus notwendig werden.


Wird die Messe Frankfurt im 2022 die gesteckten Umsatzziele erreichen? «Absolut und ohne jeden Zweifel – wenn man uns lässt», sagte CEO Wolfgang Marzin.

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