top of page

Messewirtschaft: Der Frauenanteil sinkt, anstatt zu steigen!

Wie attraktiv sind Messeveranstalter in der jungen Generation? Juliane Jähnke sagt, wer nicht auf Herausforderungen und agiles Arbeiten steht, wird sich wohl gegen die Messewirtschaft entscheiden.


by Juliane Jähnke* | 24. Februar 2022



Juliane, Du sagst, «Rekrutierung ein sehr aktuelles Thema, weil der Nachwuchs nicht mehr unendlich zur Verfügung steht». Was meinst Du damit? Wir sind mit vielen Messegesellschaften und Messeveranstaltern in Kontakt und hören aus fast allen Häusern, dass sich nicht nur gute MitarbeiterInnen entscheiden zu kündigen, sondern dass sich auf freie Stellen teilweise keine oder wesentlich weniger Leute als früher bewerben. Das betrifft auch zu besetzende Ausbildungsstellen oder Hochschulangebote mit dualen Lehrgängen.


«Traditionelles Hierarchiedenken und klassische Organisationsstrukturen sind keine Argumente mehr

für die Generation der Millennials.»


Ja, wegen der Pandemie laufen der Messewirtschaft die Leute in andere, sicherere Branchen mit weniger Schichtarbeit davon. Wie können Messeveranstalter diesen Aderlass stoppen? Ich weiß nicht, ob das eine Frage von Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitszeiten ist. In der Gastronomie & Hotelbranche ist es offensichtlich ein Thema von geringen Löhnen und Arbeitszeiten abends und am Wochenende. Bei uns in der Messebranche ist das komplexer. Einerseits durchleben wir als Branche gerade einen radikalen Wandel – auch wenn noch nicht überall klar ist, wo der hin geht. Das fordert viel Flexibilität von den Mitarbeitenden und wer nicht auf Herausforderungen und agiles Arbeiten steht, wird sich wohl gegen die Messewirtschaft entscheiden.



Andererseits müssen wir uns eingestehen, dass wir historisch aus einer stark konservativ geprägten Branche kommen und sich Strukturen vor allem bei den großen Gesellschaften nicht von heute auf morgen ändern lassen.


Ernst gemeinte Ansagen Richtung Zukunft müssen daher nicht nur formuliert, sondern gelebt werden. Dazu gehören Aspekte wie die Förderung von Diversität, flexible Arbeitszeitmodelle für alle, nicht nur Mütter oder die Etablierung einer Fehlerkultur, die ermutigt, neue Projekte ohne Angst vor Verlusten zu entwickeln.


«Datenverständnis, offene Denkweise, Arbeiten in und mit

heterogenen Gruppen sind meines Erachtens genauso wichtig wie das Management von sozialen Netzwerken.»


Wie attraktiv sind Messeveranstalter für die Millennial-Generation?

Es gibt hier kein schwarz und weiß. In allen Häusern gibt es Abteilungen und Projekte, die strategische Optionen aufgezeigt haben und in kleinen Projekten neue Wege ausprobieren.


Allerdings glaube ich, dass traditionelles Hierarchiedenken und klassische Organisationsstrukturen Millennials einfach nicht mehr überzeugen. Zudem führt der anhaltende Stillstand der Branche seit zwei Jahren dazu, dass auch Jugendliche und junge Erwachsene in dieser Zeit keine Messen besuchen konnten, keinen Kontakt dazu hatten. Auch das ist ein Problem.

Spannend finde ich auch die Frage nach der Erfüllung an der Arbeit, dem Purpose, die sich Millennials deutlich intensiver stellen. Für sie liegt die Erfüllung im Job eben nicht darin, Quadratmeter einer Immobilie zu vermieten. Aber am Selbstverständnis von dem, was Veranstalter eigentlich genau sein wollen, wird aktuell noch an vielen Orten gewerkelt…


Was sind die wichtigsten Kriterien, nach denen junge Menschen einen Arbeitgeber wählen?

Das ist sicher sehr individuell – ein klares Ranking der Kriterien sehe oder kenne ich nicht. Eine hoch entwickelte Unternehmenskultur und Sinnhaftigkeit im Job (Purpose) sind aber deutlich im Ranking bei der Bewertung von potentiellen Arbeitgebern gestiegen.


Was haben deutsche Messeveranstalter zu bieten? Gehört Jobsicherheit an die Spitze der Rangliste der Kriterien für einen Wunscharbeitgeber?

Wie schon erwähnt glaube ich nicht, dass für die Mehrheit das Thema Sicherheit des Arbeitsplatzes höchste Relevanz hat. In den USA schon vor einigen Monaten gestartet sehen wir auch in Deutschland vermehrt über alle Branchen hinweg eine hohe Bereitschaft zur Mobilität von Angestellten. Bei Studienabgängern – ich beurteile Einzelbeispiele aus dem Studiengang Messe, Kongress- und Eventmanagement der Dualen Hochschule in Ravensburg - wird nicht immer ein konkretes Jobangebot vom bisherigen Dualen Ausbildungspartner angenommen.


Wie wichtig ist Erfahrung im Management von sozialen Netzwerken für junge Talente?

Datenverständnis, offene Denkweise, Arbeiten in und mit heterogenen Gruppen sind meines Erachtens genauso wichtig wie das Management von sozialen Netzwerken. Vor allem in der Projektorganisation von Messen brauchen wir immer mehr ein ganzheitliches Markt- und Kundenverständnis der Zielmärkte unserer Messen, einhergehend mit einem Grundwissen aller Social Media-Plattformen.


Was unterscheidet eine Führungskraft der Millennial-Generation von jener der Baby-Boomer-Generation?

Andere ernst nehmen, eigene Stärken und Schwächen zu kennen und von anderen Mitarbeitenden herauszufinden und damit zu arbeiten sind wesentliche Aspekte für gute Führung. Das ist wohl das, was man Empathie nennt. Zu guter Führung gehört ein Rollenverständnis als Teamcoach und das Schaffen von guten Rahmenbedingungen für die Teams.


Was ist die Schwäche und Stärke von Messeveranstaltern im Rekrutierungswettbewerb gegenüber anderen Branchen?

Employer Branding hat an Relevanz gewonnen. Interessant zu sehen ist zum Beispiel dass teilweise die Wortwahl und die Bildsprache der Personalabteilungen der Messegesellschaften eine deutlich diversere, offenere Sprache bezüglich Geschlechtern und Kulturen verwendet, als sie in der Realität der Messegesellschaften gelebt werden. Ich verfolge das seit 2018 durch mein Engagement für WOMEN IN EXHIBITIONS DACH. Der Frauenanteil sinkt in der ersten Führungsebene, anstatt zu steigen. Das Problem der fehlenden kulturellen Vielfalt ist vielleicht eine noch größere Herausforderung.

A propos Women in Exhibition: Was ist die Mission? Was ist bisher gelaufen? Was wäre Dein Wunsch?

Ich schwanke einerseits zwischen Ernüchterung, weil Fortschritte sehr langsam geschehen und andererseits einer für alle sehr erfüllten und fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Frauen im Netzwerk. Jedoch ist glasklar, dass die Arbeit des Netzwerks hohe Relevanz hat, weil wir nicht nur als Branche schlechter als andere Branchen aufgestellt sind, sondern auch international gegenüber anderen Messenationen hinterherhinken.


*Juliane Jähnke ist geschäftsführende Partnerin von agendum Schmitt & Jähnke, langjährige Honorardozentin am Studiengang Messe-, Kongress- und Eventmanagement der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg und Gründungsmitglied von Women in Exhibition DACH.


Interview: Urs Seiler


Am 10. März folgt hier die Coverstory «Chance für Azubis: Arbeiten in der Messewirtschaft» mit ausführlichen Portraits von Arbeitgebern und Jobangeboten.

bottom of page