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Re-Start in Deutschland: Die Wirtschaft braucht jetzt Messen

Der Messe-Re-Start in Deutschland ist gesamtwirtschaftlich dringend notwendig. Digitale Messen sind keine Alternative. Sogar die jüngere Generation will wieder «live».


by Urs Seiler | 10. September 2021



Sowohl wissenschaftlich erhobene als auch geschätzte Zahlen kommen zum gleichen Schluss: Messen leisten wirtschaftlich mehr als der Sport und die Kultur.


Deshalb braucht die Gesamtwirtschaft jetzt, nach der verheerenden Corona-Ära, dringend wieder Messen. Sie sind Wirtschaftsförderung pur.



Aus 1 wird 10 Euro: Aber 40 Milliarden Lockdown-Schaden

Die Messeplätze Frankfurt, München, Köln, Leipzig, Dortmund und Karlsruhe erzielten im Jahr 2019 Rekordumsätze. Den Messen Berlin, Düsseldorf, Nürnberg, Hannover, Stuttgart, Hamburg, Essen und Friedrichshafen lief es im 2019 gut.


Die 14 größten deutschen Messeplätze erwirtschafteten im 2019 einen Rekordertrag von 3,388 Milliarden Euro. Dann kam Covid. Und das Ergebnis schrumpfte im 2020 auf 1.1 Milliarden.



Gemäß allgemeinen Schätzungen und Berechnungen bewirkt 1 Euro, der auf Messen ausgegeben wird, gesamtwirtschaftliche Effekte von rund 10 Euro. Und das ist noch ohne die wirtschaftlichen Effekte für die Aussteller selber gerechnet, die sie dank ihren Messeteilnahmen erzielen. Das ist erst die sogenannte «Umwegrentablität» der Nutznießer des Messegeschehens wie der Veranstalter, der Messebauer und des lokalen und überregionalen Gewerbes wie Hotels, Gastronomie oder Verkehr.


Das bedeutet, dass in der Gesamtwirtschaft im 2019 durch die 14 grössten Messebetriebe ein Umsatz von bis zu 34 Milliarden Euro bewirkt wurde. Im 2020 waren das covidbedingt gerade noch einmal 10 Milliarden. Covid hat zu einem Einnahmeausfall von 24 Milliarden bei den 14 größten deutschen Messeplätzen und ihren Nutznießern geführt.


Gemäß Hochrechnungen des AUMA vom 17. Mai 2021 hat die Gesamtwirtschaft im 2020 sogar einen Verlust von 40 Milliarden eingefahren.


Das zeigt, wie wichtig die durch die Politik an den meisten Orten erfolgte Wiedereröffnung der Veranstaltungswirtschaft, die jetzt mit dem Messe-Re-Start ein Revival erlebt, geworden ist.


Wie angesagt Messen nach Corona respektive zum Re-Start wieder sind sieht man am Düsseldorfer Caravan Salon vom 26. August bis am 4. September 2021 (Bild zum Einstieg): 185'000 BesucherInnen (!) und 653 Aussteller aus 31 Ländern übertrafen sogar die Erwartungen des Veranstalters!


Onlinemessen sind kein Ersatz: Einreise problemlos möglich

Seit Juli/Anfang August 2021 finden in Deutschland (endlich!) wieder Messen statt. Der Herbst soll nun wirtschaftliche Erleichterung bringen.

Zur Medica und Compamed vom 15. – 18. November 2021 in Düsseldorf werden rund 2'900 Aussteller erwartet.

Die Messe Essen bringt nach dem erfolgreichen Start der Weltausstellung Kunststoff-Recycling die Ausstellung Plastics Recycling World Expo vom 29. – bis 30. September 2021 zurück in die Messe Essen.

Zur Anuga sind mehr als 4000 Unternehmen inklusive Onlinepartner aus über 90 Ländern angemeldet. Die Rekord-Anuga vom 2019 sah 170'000 FachbesucherInnen und 7'500 Aussteller.

Zur ersten Messe in Friedrichshafen nach der Coronapause, der IBO, kamen 17'000 BesucherInnen. Zur Eurobike 2021 der Messe Friedrichshafen kamen in Frankfurt 630 Aussteller und 30'000 BesucherInnen.

Die Messe Frankfurt nennt ihre hybride Messe «Automechanika Frankfurt Digital Plus». Sie findet vom 14. – 16. September noch einmal im hybriden Format statt. In Frankfurt hat man es nie versäumt zu unterstreichen, dass Onlinemessen nur eine Übergangslösung sind. Und im 2022 findet die Automechanika dann wieder ausschließlich live, ohne Onlineaussteller statt. Danach will sie wieder ihren zweijährigen Turnus aufnehmen, ohne Onlinemesse.

In Bayern mit den größten Messeplätzen München und Nürnberg wollte man ab dem 1. September 2021 die Messen neu lancieren. Dank der erfolgreich durchgeführten Pilotmesse TrendSet in München vom 10. – 12. Juli 2021 durften Messen sogar bereits ab dem 1. August 2021 an den Start.

Der größte private Veranstalter Schall Messen will im Herbst 2021 gleich drei seiner namhaften Messen nachholen: die Motek für Produktion und Montage vom 5. bis 8. Oktober, die Fakuma für Kunststoffverarbeitung vom 12. bis 16. Oktober und die Blechexpo vom 26. bis am 29. Oktober.

Die neu veröffentlichte Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen ist der Startschuss für physische Veranstaltungen auf dem Messegelände in Hannover. Mit der «3G-Regelung» und einem entsprechenden Hygiene-und Infektionsschutzkonzept sind Messen und Veranstaltungen auch bei der Deutschen Messe wieder erlaubt. In Hannover soll unter anderem vom 21. bis am 23. September die bewährte Intergeo des privaten Veranstalters Hinte stattfinden.


Die Messe Karlsruhe veranstaltet die Platformers‘ Days – Fachmesse für Hebe- und Höhenzugangstechnik und die NUFAM – Nutzfahrzeugmesse wie geplant vom 10. bis 11. September beziehungsweise 30. September bis 03. Oktober 2021. Gastmessen wie die DeburringEXPO, Leitmesse für Entgrattechnologien und Präzisionsoberflächen, die expoSE & expoDirekt des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. sowie die Handarbeitsmesse Nadelwelt stehen ebenfalls für diesen Herbst im Kalender. Das Kongresszentrum ist für die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages am 29. und 30. Oktober 2021 reserviert. In Planung befindet sich auch ab dem 30. Oktober die neuntägige Erlebnismesse offerta.


Der Stuttgarter Messechef Roland Bleinroth glaubt, dass hybride Messen bleiben werden, insbesondere für ausländische Firmenangehörige. «Derzeit ist noch nicht absehbar, wie lange BesucherInnen und Austeller aus dem Ausland mit Reisebeschränkungen konfrontiert sein werden. Digitale Lösungen sind deshalb nach wie vor interessant und absolut zeitgemäß.» Die physische Messepräsenz sieht der Geschäftsführer der Messe Stuttgart nicht gefährdet. «Der Kern einer jeden Messe ist der persönliche Kontakt, das Gespräch en passant. Digitale Formate ermöglichen dies nur bedingt.» Mit physischen Messen soll es auch in Stuttgart schon im September 2021 wieder los gehen.


Das Missverständnis um die Millennial-Generation

Am 5. April erschien in der WELT ein Artikel zur deutschen Messewirtschaft mit dem Titel «Nicht jedes Unternehmen stört Wegfall von Messen». Er besagt «Vor allem jüngere Entscheider sehen digitale Veranstaltungen als Ersatz. Gerade mal 21 Prozent der Befragten wollen weiter aktiv ausstellen.» (Bild unten: Gamescom Köln).


Der Artikel basiert auf einer Umfrage der Meinungsforscher Civey im Auftrag von Visable, dem Betreiber der Online-Plattformen «Wer liefert was?« und «Europages».


Gemäß der Umfrage gilt «Für 56.4 Prozent der Teilnehmer ist der Wegfall von Leitmessen nach der Pandemie gar kein oder nur ein geringer Verlust.» Und man liest weiter: «Bei den Chefs zwischen 18 und 29 Jahren ... sehen schon 55 Prozent virtuelle Messen als Ersatzmöglichkeit.»


Das ist natürlich Unsinn, im besten Fall eine schwer nachweisbare Spekulation, die aller Erfahrung widerspricht. Einmal abgesehen, dass es so etwas wie «virtuelle Messen» gar nicht gibt. Hier ist schon die Terminologie respektive Optik falsch. Der Klarheit halber sollte man von «Onlinemessen» sprechen. Aber sogar das ist ein sehr fragwürdiger Begriff. Immerhin sagt der Chef von Visable, Peter F. Schmid zur Umfrage, dass die Transformation von Messen nicht von heute auf morgen passiere und «Das bedeutet aber nicht, dass Messen in Zukunft nicht mehr wichtig sind.»


Ganz richtig. Und das gilt vor allem auch für die immer wieder zitierte Millennial-Generation, der jungen Erwachsenen, die mit Computer, Handy und sozialen Netzwerken aufgewachsen sind. Unsere Befragungen und Gesprächsrunden mit der jüngeren Generation weisen auf das Gegenteil hin. Die jüngeren Generationen setzen nach wie vor auf Live-Begegnungen - aber sie will sie besser vorbereiten - online.


Die Wirtschaft will wieder Messen

Gemäß einer Markenstudie der Messe Berlin wird Messen sowohl «eine (hohe) gesamtwirtschaftliche Relevanz als auch eine (hohe) persönliche Bedeutung» attestiert.

Bild: Die ITB Digital, Berlin.


77 Prozent der Besucherumfrage der Spielwarenmesse Nürnberg haben den Besuch der nächsten Spielwarenmesse im 2022 eingeplant.


97 Prozent der Unternehmen wollen weiterhin an Messen in Frankfurt teilnehmen. Zu diesem Resultat kommen die KundInnen der Messe Frankfurt in der sogenannten «Customer Care Campaign». Nur drei Prozent (!) möchten ausschließlich digitale Formate. 67 Prozent wünschen sich reine Präsenzveranstaltungen. An der Umfrage haben sich 59'000 Firmen beteiligt.


Drei Viertel der BesucherInnen früherer Jahre der Weltleitmesse Medica äußerten ihre konkrete Besuchsabsicht.


In der am 6. Juli 2021 publizierten Studie des Fama Verbandes der privaten Messeveranstalter sagen mehr als 70 Prozent der Unternehmen, dass die Absage und das Nicht-Stattfinden von Messen ganz überwiegend negative Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf hatten. Gefragt nach den Gründen werden vor allem die eingeschränkte oder unzureichende Neukundengewinnung (72%), die nicht ausreichende Produktdarstellung (69%) sowie die Handicaps in der Bestandskundenpflege genannt. Die Studie wurde in Kooperation mit dem AUMA und der IDFA erstellt.


Die erwähnten Quellen geben ein aus unserer Sicht adäquates Resultat der aktuellen Stimmung in der ausstellenden Wirtschaft wieder. Die Teilnahme von Ausstellern und BesucherInnen von hybriden oder rein online durchgeführten «Messen» war in der Pandemie-Ära zahlenmässig jeweils bloss ein Bruchteil der physischen Begegnungen, die Kundenzufriedenheit blieb sehr bescheiden.


Messen mit umfassenden Schutzkonzepten

Messeplätze gehören zu den Organisationen mit den besten Sicherheits- und Schutzkonzepten. Nicht nur wurden die meisten für Impfzentren eingesetzt. Die Messen gehörten zu den ersten Veranstaltern, die eigene, sichere Schutzkonzepte aufstellten, damit das Messegeschäft wieder funktionieren konnte. Eckpfeiler eines künftigen sicheren Messebetriebs ist das 3G-Konzept für Geimpfte, Genesene oder Getestete.


Das Schutz- und Hygienekonzept der Messe München wird laufend aktualisiert und bietet zusätzlich Testkapazitäten vor Ort.

Wieder durchstarten will die KölnMesse mit ihrem #B-SAFE Business»-Konzept. Zulassungsbeschränkungen bestehen im etablierten 3G-Konzept «CH3CK».

Auch BesucherInnen der Messe Frankfurt sind besonders sicher mit dem entsprechenden Schutz- und Hygienekonzept.

«Mit Abstand intelligent in die Zukunft nennt die Deutsche Messe AG ihre Schutzmaßnahmen.

Die Hamburg Messe und Congress hat in enger Abstimmung mit den Behörden ihr Schutzkonzept entwickelt.

Die Messe Stuttgart hat mit «Safe Expo» ebenfalls ihr eigenes Hygiene- und Schutzkonzept entwickelt.

Die NürnbergMesse hat gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung und den bayerischen Messegesellschaften ein tragfähiges Hygienekonzept entwickelt: Auch das ist ein Meilenstein im Hinblick auf den Re-Start der Messewirtschaft in Deutschland. Die NürnbergMesse hat auch einen Link für die problemlos mögliche Einreise an Fachmessen publiziert.


Take-Outs

Fama-Studie zeigt Perspektiven für den Neustart von Messen auf.


Der deutsche Staat unterstützt kleine und mittlere Unternehmen in ihren internationalen Messebeteiligungen. Für Standmiete und Messebau können Aussteller mit bis zu 12'500 Euro alimentiert werden.




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