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Messe Düsseldorf rüstet sich für globale Expansion: «Das heißt nicht, dass wir unsere Leitmessen nicht laufend weiterentwickeln»

Die Messe Düsseldorf blickt auf ein sehr gutes Geschäftsjahr 2024 zurück mit 395 Millionen Euro Umsatz. smartville digital hat mit COO Marius Berlemann, der im August genau ein Jahr in dieser Funktion tätig ist, zur Zukunft der Messe Düsseldorf und der Messewirtschaft gesprochen.

 

von Marius Berlemann || 24. Juni 2025

 


Marius Berlemann, was bewegt Sie geschäftlich zur Zeit am meisten?

Ich bin angetreten, um mit unserem Team zu wachsen. In meiner neuen Position als operativer Geschäftsführer (COO) dreht sich seit August 2024 natürlich vieles darum, wie wir unser Messegeschäft weiterentwickeln und mit welchen Wachstumspotenzialen – auch, um unseren Messestandort Düsseldorf abzusichern. Wir sind hochmotiviert. Es gibt einiges, das wir bewegen wollen.

 

Im April 2019 wechselten Sie von der ProWein Düsseldorf zur Messe Düsseldorf Shanghai, bevor Sie am 1. August die Position als COO in Düsseldorf übernahmen. Was war Ihre wichtigste und beste Erfahrung mit der chinesischen Mentalität und im geschäftlichen Dialog mit chinesischen Menschen?

China ist ein agiler Markt. Es gibt meiner Meinung nach keinen umkämpfteren Messemarkt als den chinesischen. Allein in Shanghai stehen wir mit drei bis vier kompetitiven Marktplayern im Wettbewerb. In China ist man im Vergleich zu Europa aber auch viel schneller bereit, etwas auszuprobieren – etwa ein neues Themenformat. Das bedeutet: Man muss hochinnovativ agieren, um vor der Konkurrenz zu sein. Für meinen Bereich habe ich in China um die 20 neuen Themen aufgegriffen. Drei Viertel davon haben zwar nicht funktioniert, ein Viertel aber schon! Und genau diese Maßnahmen haben uns dabei geholfen, unsere hervorragende Marktposition vor Ort weiter auszubauen.

 

Meine Lehre: Es lohnt sich, aus der Komfortzone herauszutreten – und hartnäckig zu bleiben. Denn die chinesische Kultur ist keine, in der man sich von heute auf morgen mit einem Vertragspartner einigt. Ich habe gelernt, langfristig zu wachsen. Dabei stehen immer gute Beziehungen – das Guanxi – im Zentrum. Und wo wäre das besser gewährleistet als auf Messen?

 

Im August 2024 hat smartville digital die Coverstory «Rekordergebnisse am Messeplatz Deutschland: Ist das die Zeitenwende - aber welche?» publiziert. Seither spüren wir, trotz weiteren Rekordergebnissen an zahlreichen deutschen Messeplätzen, eine vorsichtig zurückhaltende Stimmung. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist Ihre persönliche Stimmungslage, was die nächsten Jahre der Messe Düsseldorf und des Messeplatzes Deutschland betrifft?

Sie haben das richtig angesprochen: Der Nach-Corona-Effekt hat die Messewirtschaft weltweit positiv beeinflusst. Man hat gemerkt, wie stark der persönliche Austausch vermisst wurde. Unsere Zahlen entwickeln sich seit Langem sehr stabil. Wir sind als einzige der großen deutschen Messegesellschaften ohne finanzielle Unterstützung ihrer Gesellschafter durch die Pandemie navigiert. Und auch 2023 und 2024 hatten wir sehr erfolgreiche Geschäftsjahre. Unser Portfolio basiert auf wichtigen Investitionsgütermessen und ist daher sehr beständig. Die deutsche Messewirtschaft spürt aber auch, dass der internationale Wettbewerb zugenommen hat. Es kommen weltweit neue Messestandorte und Messezentren dazu – zum Beispiel im Mittleren Osten und Asien.

 

Das Jahr 2026 ist ein EuroShop Jahr. Welche Impulse wollen Sie dem Handel geben? Was kann die EuroShop 2026 für den unter der Onlinekonkurrenz leidenden Handel bewirken?

Es ist richtig, dass sich der stationäre Handel und das Onlinegeschäft ergänzen.  Beide Bereiche stehen aber auch in Konkurrenz zueinander. Das muss jedoch kein Nachteil sein: Denn der stationäre Handel erhält durch das Onlinegeschäft frische Impulse. Das wird auf unserer nächsten EuroShop im Februar 2026 sichtbar sein. Als weltweit wichtigste Handelsmesse präsentieren wir dort die neuesten Trends für den stationären Handel – in allen relevanten Dimensionen. Gleichzeitig verzahnen wir die EuroShop im kommenden Jahr noch stärker mit unserer EuroCIS, indem wir einen Fokus auf innovative Retail Technologien legen. Mit diesem starken Konzept im Rücken bin ich davon überzeugt, dass wir bei den Besucherzahlen langfristig wieder auf die Werte von 2017 kommen werden. Der Handel steht unter Innovationsdruck und freut sich auf die EuroShop. Wir sind bereit für die Top Player der Branche.


Vereinfacht gesagt stagniert die Messewirtschaft in Deutschland und wächst im Ausland. Welche Rahmenbedingungen erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Generell ist die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sehr wichtig. Uns muss hierzulande endlich der Turnaround gelingen. Denn wir brauchen in Deutschland dringend ein investitionsfreundlicheres Klima. Ich glaube, wir sind mit der neuen Koalition auf einem guten Weg, um zu alter Stärke zurückzukehren.

 

Für uns als Messegesellschaft ist die Standortattraktivität dabei entscheidend. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die den Luftverkehrs- und Messestandort Düsseldorf gleichermaßen stärken – zum Beispiel attraktive Verbindungen in alle Welt. Davon lebt ja das Konzept einer Weltleitmesse. Zur drupa kamen 2024 zum Beispiel rund 80 Prozent ausländischer Fachbesucher. Wir müssen gewährleisten, dass sie einfach und kostengünstig nach Düsseldorf kommen. Dazu zählt aus meiner Sicht eine beschleunigte und vereinfachte Visapraxis. Das sollten wir weiterhin gemeinsam adressieren, um den Leitmessestandort Deutschland zu stärken. Das sind alles Aspekte, die für unsere Branche von großer Bedeutung sind.

 

Im Jahr 2023 ist die Messe Düsseldorf mit 422.5 Millionen Euro (2024: 395.1 Millionen) Umsatz nahe an das Rekordergebnis von 2016 mit 443 Millionen herangekommen. Wie massgebend sind solche Rekorde eigentlich für die Bewertung Ihres Unternehmens?

Es ist nicht unser erklärtes Ziel, dass wir von Jahr zu Jahr neue Rekorde anstreben. Darum geht es bei unserem turnusabhängigen Geschäft nicht. Sondern darum, dass wir die Bedeutung von Messen langfristig absichern und weiter ausbauen. So können wir unseren Beitrag leisten, dass die Region rund um Düsseldorf floriert.

 

Das schaffen wir mit unseren Leitmessen. Daher investieren wir auch weiter in unser Portfolio. Obwohl eine MEDICA, eine K oder eine interpack erfolgreich sind, heißt das ja nicht, dass wir uns nicht laufend fragen, wie wir Messen und ihre Branchen weiterentwickeln können. Als führende Messegesellschaft ist es immer unser Ziel, Impulsgeber einer Branche zu sein, ihre Speerspitze. Diese Bereitschaft haben wir in Düsseldorf – und gepaart mit unserem nachhaltigen Portfolio funktioniert das sehr gut. Dabei positive Ergebnisse zu schreiben, gehört natürlich mit zu unserem Auftrag.

 

Ihre Pressemitteilung vom 23. Mai 2025 ist betitelt mit «Messe Düsseldorf bestens gerüstet für globale Expansion». Was ist Ihnen wichtiger: Wachstum im Ausland oder in Düsseldorf? Wie hoch ist der Umsatzanteil der Messe Düsseldorf im Ausland verglichen mit Deutschland und was ist das Ziel?

Der Umsatz der Messe Düsseldorf-Gruppe entsteht zu 85 Prozent im In- und zu 15 Prozent im Ausland. Klar ist: Wir werden unser Messegeschäft in Auslandsregionen weiter forcieren. Der Mittlere Osten ist für uns dabei ein wichtiger Zukunftsmarkt. Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien weisen starke wirtschaftliche Wachstumsraten auf. Zudem werden beide Nationen ihre Hallenkapazitäten für Messen in den nächsten Jahren weiter massiv ausbauen. Natürlich ist auch Indien von großer Bedeutung. China ist ein gesättigter Markt, in dem dennoch Wachstum möglich ist. Auch in Mexico ist die Messe Düsseldorf gut aufgestellt.

 

Für den Herbst 2026 hat die Messe Düsseldorf bereits einen Ableger der Weltleitmesse EuroShop vom Februar 2026, der EuroShop Middle East in Dubai, verkündet. Mit welchen Zielsetzungen und Ambitionen, auch für die EuroShop in Düsseldorf?

Regionale Ableger unserer Leitmessen aus Düsseldorf sind keine Konkurrenz zur Heimatveranstaltung. Das Gegenteil ist richtig. Was wir unseren Ausstellern auf unseren Auslandsmessen anbieten, ist die Option, durch uns neue Märkte zu entdecken und zu erschließen.

 

Gleichzeitig haben wir zahlreiche Beispiele, dass Messen im Ausland – in China, in Thailand oder in Indien – dazu führen, dass die Besucherzahlen in Düsseldorf aus diesen Ländern ansteigen. Daher lohnt es sich für uns, regionale Teams zu installieren. Dadurch können wir ganz anders auf den Märkten agieren – und vor allem auch kurzfristig reagieren. Das wäre aus Düsseldorf heraus aufgrund der Zeitverschiebung und von kulturellen Unterschieden zum Teil gar nicht möglich.

 

Peter F. Schmid, CEO des Online-Unternehmens Visable sagt in einem bemerkenswerten Statement: «Ich vertrete die Ansicht, dass die reine Produktschau am Messestand in Zeiten der Digitalisierung weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Kein Unternehmen muss heute mehr schwere Maschinen um den Globus transportieren, um sie für drei Tage auf der Leitmesse auszustellen. Kein Einkäufer wartet heute darauf, um sich am Messestand zu informieren.» Wie würden Sie darauf antworten?

Ich hoffe, Sie haben Peter F. Schmid dabei widersprochen!

 

Für mich sind Messen eine ökologische und nachhaltige Form, um erfolgreich Geschäfte zu betreiben. Gemäß der AUMA-Studie «Mehrwert von Messebesuchen» können durch einen Messebesuch pro Tag 5,1 separate Reisen vermieden werden. Messebesuchende nehmen rund 13 Geschäftskontakte pro Tag wahr, wobei mehr als ein Drittel dieser Kontakte ohne den Besuch der Messe zu zusätzlichen Reisen geführt hätten.

 

Ganz wichtig sind für mich auch die wirtschaftlichen Aspekte. Gerade im persönlichen Kontakt zeigen Messen ihre Stärken. Denn was hat uns die Pandemie gelehrt? Dass digitale Formate als Messe-Ersatz nicht funktionieren. Es ist der Beweis, dass der persönliche Austausch nach wie vor von größter Bedeutung ist. Das wird auch so bleiben.

 

Ich will aber auch in einem anderen Punkt widersprechen: Auf der Weltleitmesse K und auf anderen Messen sehen wir klar, dass die Lancierung von Innovationen und die Tätigung von Investitionen auf den Messezeitpunkt hin ausgerichtet werden. Denn die Zeiten sind schon lange vorbei, an denen Messen allein als Handelsplattform ausgerichtet waren. Gerade wir als Veranstalter bieten da heute deutlich mehr. Es geht um den Austausch, das Netzwerken, um die Schau von Innovationen, um das Vermitteln von Impulsen, die wir als Messegesellschaft gewährleisten müssen. Die Anforderungen an eine Messe sind heute um ein Vielfaches höher als früher, weil wir den Markt deutlich stärker gestalten müssen, als ihn – wie früher – einfach abzubilden.

 

Am 10. Februar 2025 hat die ProWein die Lancierung der App «Fair Match» verkündet. Mit welchen Intentionen? Was sind die wichtigsten Inhalte? Wie ist die Matchmakingfunktion der App im Urteil der Kunden und der Messe Düsseldorf angenommen worden? Wird sie jetzt auch auf die weiteren Weltleitmessen in Düsseldorf ausgeweitet?

Schon vor der Pandemie haben wir als Unternehmen die digitale Transformation vorangetrieben. Die Frage ist doch: Wie kann ich Messen durch die Nutzung digitaler Tools erfolgreicher machen? Für uns ist hierbei das Matchmaking – also die Verbindung von Ausstellern und Besuchern – eine wichtige Säule.

 

Daher haben wir dieses Jahr unser eigens entwickeltes «Fair Match»-Tool lanciert und bei der ProWein im März erstmals eingesetzt.  Es ist aufgebaut wie ein Social-Media-Account. Angemeldete Gäste können sich ein Nutzerprofil anlegen, das Informationen zu Interessen, beruflicher Position und Tätigkeitsfeld enthält. Basierend auf diesen Angaben hilft «Fair Match», relevante Geschäftskontakte auf der Messe zu treffen – oder im Nachgang online zu finden.

 

Was ist der nächste Schritt in der Digitalisierung der Messe Düsseldorf? Sehen Sie so etwas wie die Notwendigkeit einer digitalen Transformation und wie könnte diese aussehen?

Künstliche Intelligenz hat bei der Messe Düsseldorf längst Einzug gehalten. Wir nutzen sie bereits vielfach für die Kundenansprache. Auf unserer MEDICA haben wir im vergangenen Herbst zudem erstmals einen KI-basierten Chatbot präsentiert. Unser «MEDICA Buddy» hilft unseren Besuchern bei Fragen zu Ticketing, Ausstellenden, Anreise und anderen relevanten Themen – und das in verschiedenen Sprachen. Ein Besucher, der sich zum Beispiel für nachhaltigen Ladenbau interessiert und dazu noch fünf Aussteller treffen möchte, kann sich mit Hilfe der KI einen entsprechenden Besuchsplan erstellen lassen. Das kann einen Messeaufenthalt noch effizienter machen. Unser Ziel ist es, den Chatbot auch für andere Messen zu nutzen.

 

Sie sind jetzt seit dem 1. August 2024 COO der Messe Düsseldorf. Was haben Sie dabei gelernt? Was ist Ihre bleibende Erkenntnis?

Für mich ist das Messegeschäft weiterhin eine der interessantesten Branchen weltweit. Wir bewegen uns als Unternehmen in einem unfassbar dynamischen Umfeld. Das spornt mich und die Projektteams jeden Tag an, unser Bestes zu geben. Wir wollen unsere Marktposition absichern, aber auch international weiter wachsen. Stillstand ist verboten. Ich persönlich habe das Glück, mich in vielen unterschiedlichen Branchen bewegen zu dürfen. In gewissem Maße werde ich damit zum «Experten» für viele Megatrends. Das macht unheimlich Spaß.


Interview: Urs Seiler

 

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