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#newNormal im Messebau Deutschland: 6 Themen, die den Messebau neu definieren

Live-Erlebnisse werden nach der Pandemie wichtiger. Messen werden teurer. Messebau entwickelt sich weg von der Hardwareorientierung hin zu mehr Marketingtaktiken. Man kann von einer Zeitenwende im Messebau sprechen.



by Urs Seiler | 2. August 2022


Digital bleibt, live gewinnt!

Covid-19 hat während der Phase der Unmöglichkeit von Veranstaltungen eine Art «Gegentrend» bewirkt: das Bewusstwerden über die Unersetzlichkeit von persönlichen Begegnungen. Covid hat diesen Trend nicht ausgelöst, aber verstärkt.


Das Messebauunternehmen Meplan hat während Covid große Schritte in Richtung digitaler Transformation (Bild oben) unternommen. Erst fiel die Geschäftsgrundlage weg. Dann hat man (digital) transformiert. Geschäftsführer Siegbert Hieber sagt dazu im smartville.digital-Interview: «Zwischen Marken und Menschen gibt es heute unzählige Touchpoints. In dieser Flut zählen mehr denn je die echten persönlichen Begegnungen.»


«Im B:to:B-Bereich kann ich mir nichts Besseres und vor allem nichts Nachhaltigeres vorstellen als eine Messe, weil Du sonst jeden Einzelnen Anbieter als Kunde anfliegen würdest oder eine Roadshow machen müsstest. Wenn man da den Fußabdruck alternativ ermitteln würde, würde relativ schnell aufwachen und sagen: die Messe ist gar nicht so wenig nachhaltig im Vergleich», sagt Jörg Zeißig, CEO von Holtmann+.



Nachhaltigkeit jenseits von «greenwashing»

Die Live Kommunikationswirtschaft ist auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.


Am 2. September 2021 hat die globale Veranstaltungsbranche ein gemeinsames Versprechen und einen Fahrplan für eine kohlenstofffreie Zukunft für Veranstaltungen vorgelegt. Bis im Jahr 2050 soll die Messewirtschaft einen «Netto-Null»-Kohlenstoffausstoss bewerkstelligen mit einem Meilenstein der Reduktion auf 50% im Jahr 2030.


Jörg Zeißig sagt im Podcast vom 17. März 2022: «Wenn ich bei einem Unternehmen mit 40 Millionen Euro Umsatz nicht 10'000 Euro investiere, um meinen Dreck wegzumachen – dann habe ich im Management grundsätzlich etwas falsch verstanden.» Holtmann+ operiert nach den 17 «Sustainable Development Goals SDG».


«Wir werden von jungenTalenten gefragt: ‚Was macht ihr da eigentlich konkret zum Thema Nachhaltigkeit?’ Diese Fragen werden überraschend oft gestellt. Das war mir nicht bewusst, dass das in der jetzigen Generation so offen gefragt wird» fährt Jörg Zeißig fort.


So hält auch der «Studienradar Future Meeting Space» vom GCB Meetings Made in Germany fest, dass die jüngere Generation Nachhaltigkeit und Klimaschutz auch im geschäftlichen Kontext einfordere und spiele vor allem im «War For Talents» eine wesentliche Rolle.


Jürgen May, Geschäftsführer der Beratungsagentur 2bdifferent sagte schon im Jahr 2020, dass Nachhaltigkeit auch in der Messe- und Eventwirtschaft kein «nice to have» mehr sei, sondern ein Muss im Wettbewerb der Anbieter.


Wer jetzt nicht nachhaltig produziert, verliert. smartville.digital bringt am 16. November 2022 eine Coverstory zum Messebau auf Systembasis.


Digital und hybrid für mehr Reichweite

Auch Digitalisierung kann durch die Verlängerung von Events in den digitalen Raum zu einem umweltfreundlicheren Messebau beitragen.


Digitalisierung kann vor allem helfen, die lange versäumte Aufgabe von Live Kommunikationsveranstaltern und –dienstleistern der Herstellung von mehr Reichweite über die Ausstellungsfläche hinaus wahrzunehmen.


Digitalisierung gehörte bei Meplan zu den Säulen der unternehmerischen Transformation während Covid. Sven Bonifer von Meplan spricht von einem «digitalen Erlebnis mit handfesten Vorteilen», die Erweiterung von Messen in den virtuellen Raum bringen: «Weniger Abhängigkeit von der Anzahl phyischer Besucher, unbegrenzte Reichweite, längere und intensivere Markenerlebnisse sowie mehr Interaktion mit den BesucherInnen.»


Carsten Nadler ist ein Messebaupionier und seit dem 1. Februar 2022 Vice President Business Development für Europa der amerikanischen Erlebnisagentur Sparks. Er sagt im smartville.digital-Interview zu den Veränderungen, die den Messebau transformieren werden: «Wir kommen (Anmerkung: im Messebau) nicht um eine digitale Transformation herum. Überleben wird, wer kreativ, mutig, digital fortschrittlich und datengesteuert ist.»


Jörg Zeißig von Holtmann+ sagt im Podcast: «Hybrid ist nicht Anderes als die Ergänzung von physisch und digital. Das muss nicht zwingend zeitgleich sein wie beim Fernsehen. Wir glauben doch nicht im ernst, dass ich für eine Messe 8 Tage in der Woche vor dem Bildschirm hocke. Die Frage ist, wann ist ein Besucher physisch zu bedienen? Das müssen wir verstehen, das ist eine andere Customer Journey als eine digitale.»


Experience-Design

Wie eingangs erwähnt werden Livekommunikation auf Messen und Events auch in Zukunft das Fundament für attraktive Markenerlebnisse bilden. Mittlerweile spricht man aber auch von «digitalen Erlebnissen». (Bild oben: Multivac auf der Anuga FoodTec von Atelier Türke).


Carsten Nadler von Sparks sagt dazu: «Digitale Erlebnisse ermöglichen es Marken, eine komplexe Geschichte zu erzählen, die physische Gestalt annimmt und dynamisch, fesselnd und unterhaltsam ist. Das wird nicht verschwinden.»


Beim Thema «Markenerlebnis» müssen wir uns lösen von der Vorstellung, dass diese durch allein die Messebauhardware definiert wird. Ein Markenerlebnis kann auch digital unterstützt werden und ist Inhalt des gesamten Eventmarketings.


Zeitenwende im Messebau: Preisinflation von bis zu 45 Prozent!

Der Preisanstieg ist (war) unvermeidlich. Aber es sind nicht primär die Umweltkosten, die ihn bewirken. Personalengpässe, Lieferschwierigkeiten von Lieferanten aus der produzierenden Industrie und generelle Preissteigerungen, etwa für den Rohstoff Holz, verteuern das Messegeschäft.


Carsten Nadler sagt dazu: «Wir werden uns auf mehr Aufwand und Komplexität von Livekommunikationsprojekten einstellen müssen.» Und diese Komplexität hat im wörtlichen Sinn ihren Preis.


Die brandneue RIFEL-Studie «Kostenentwicklung Event / Messe 2022» vom Juni 2022 prognostiziert, dass je nach Messe oder Event im 2022 bis zu 45 Prozent mehr Budget zur Verfügung gestellt werden müsse, als für eine vergleichbare Produktion im 2019 (!). Die gute Nachricht dazu von RIFEL: «Die Nachfrage nach Live-Messen/Events steigt aktuell stark.»


Interessantes sagt die RiFEL-Studie zu den Tagesansätzen als Folge dieser Situation: «1'000 Euro hat sich als absolute Untergrenze Messe-/Event-Projektleiter Tagesansatz etabliert.»


Aufgrund der Unsicherheiten in den Lieferketten und von Materialpreisen haben Messebaufirmen begonnen, preisvariable Offerten abzugeben mit der Freiheit von Preisänderungen, wenn sich die Rohstoffpreise zu stark verändern. Die auftraggebende Wirtschaft gewöhnt sich langsam an steigende Preise für Messeauftritte und Events.


Eine Konsequenz davon sind weniger aufwändige Messebauten auf den kommenden Leitmessen in Deutschland im zweiten Semester 2022. Wenn das von der Hardware-Orientierung zu einer stärkeren Fokussierung des Messemanagements führt, sind Messe und Aussteller die Gewinner.


Die Zukunft im Messebau

Worauf ist bei der physischen Standgestaltung zu achten?


«Messen leben vom Gespräch» zitiert die Broschüre der IFAT der Messe München in ihrem Ratgeber «10 Steps zum sicheren Messeerfolg.» Eine besondere Herausforderung ist hier die intelligente BesucherInnenführung durch die Abgrenzung von Kommunikations- und Präsentationsbereichen. Der Ratgeber gibt zahlreiche Tipps und Checkboxen zum Thema Messebau.


Siegbert Hieber sagt im smartville.digital-Interview: «Wir sehen hybride Veranstaltungen als die neuen Veranstaltungsformate, die evolutionär die bisherigen Formate überholen. Entscheidend wird sein, dass über eine ideale Verknüpfung von digital und analog der persönliche Austausch gewährleistet ist – und zwar unabhängig von räumlichen Einschränkungen. Messestände werden in der Zukunft digitaler und technischer.»


Und was ist wichtiger auf Messen, analog oder digital?


«Bei Business:to:Consumer- und lokalen Messen wird auch weiterhin der analoge Teil sehr stark vorhanden sein. Anders sehen wir das bei Business:to:Business-Veranstaltungen und Weltleitmessen. Am Ende kommt es auf den richtigen Mix zwischen analog und digital an – und das wird je nach Messe unterschiedlich sein» sagt Siegbert Hieber.


Take Outs







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